Zero Project: Initiativen für inklusive Beschäftigung, IT und Kunst im Parlament präsentiert

Abgeordnete aller Fraktionen stellen fünf prämierte Projekte vor

Für eine Welt ohne Barrieren setzt sich das im Jahr 2008 von der Essl Foundation gegründete „Zero Project“ ein, das vom 5. bis 7. März in der UNO-City ihre jährliche Konferenz abhalten wird. Als Auftakt dazu haben bereits heute Abgeordnete aus allen fünf Parteien prämierte Initiativen aus den Bereichen inklusive Beschäftigung, IT und Kunst im Parlament vorgestellt. Die Politiker:innen haben sich zudem verpflichtet, die ausgewählten Innovationen bei ihrer Umsetzung in Österreich bestmöglich zu unterstützen.

Die Themen der kreativen Projekte reichten von speziellen Qualifizierungsinitiativen, der Bereitstellung von erschwinglichen und zugänglichen technischen Hilfsmitteln für Menschen mit Behinderungen, der Förderung der beruflichen Selbständigkeit von jungen Menschen mit besonderen Bedürfnissen, der Schaffung von Arbeitsplätzen in inklusiven Kleinunternehmen bis hin zur Unterstützung von Musiker:innen mit Behinderungen.

QUALIFIZIERUNGSINITIATIVE FÜR BILDUNGSBENACHTEILIGTE MENSCHEN

Jugendliche mit intellektuellen Behinderungen oder Lernschwierigkeiten seien in Österreich weitgehend vom regulären Berufsbildungssystem und der Lehrlingsausbildung ausgeschlossen, zeigte FPÖ-Abgeordnete Rosa Ecker auf, die eine steirische Qualifizierungsinitiative für bildungsbenachteiligte Menschen vorstellte. Sie habe deshalb dieses Projekt ausgewählt, weil es jungen Menschen die Chance eröffne, als Arbeitnehmer:innen vom eigenen Gehalt leben zu können. Sie werde sich weiterhin mit Nachdruck dafür einsetzen, dass das Prinzip „Lohn statt Taschengeld“ für alle Menschen in Österreich verwirklicht werde.

Durch das von „Chance B“ entwickelte Programm KomKom sollen die Kompetenzen dieser Personengruppe sichtbar gemacht und so ihre Chancen auf eine qualitativ hochwertige Ausbildung verbessert werden, erläuterte Michael Longhino (Chance B). Das durch nationale und europäische Mittel geförderte KomKom-Programm, das bereits in bestehende Projekte des AMS und der Behindertenhilfe eingebunden sei, nutze dabei das duale Ausbildungssystem für Lehrlinge in Österreich und biete zertifizierte Abschlüsse an.

Bei der Diskussion über das Projekt hob Klaus Widl (Präsident des Österreichischen Behindertenrats) die Förderung des Zugangs zum sogenannten ersten Arbeitsmarkt hervor. Die Behindertenanwältin Christine Steger zeigte sich erfreut darüber, dass rund 10 % der Teilnehmer:innen des Programms eine fixe Anstellung gefunden haben, weitere 20 % zumindest eine Teilzeitstelle. Sie hoffe, dass die Initiative auch in den anderen Bundesländern ausgerollt werden könne.

WELTWEITE PLATTFORM FÜR DIE ENTWICKLUNG UND DEN AUSTAUSCH VON ERSCHWINGLICHEN UND ZUGÄNGLICHEN TECHNISCHEN LÖSUNGEN

Über die weltweite Vernetzungsplattform „TOM Global“ und ihre Innovationen im Bereich unterstützender Technologien berichtete Heike Eder (ÖVP). Ausgangspunkt dieser Innovation sei der Mangel an erschwinglichen und zugänglichen technischen Hilfsmitteln für Menschen mit Behinderungen gewesen. Sie habe dieses Projekt gewählt, weil sie als Frau mit Behinderung genau wisse, wie wichtig es in bestimmten Phasen des Lebens sei, Zugang zu kostengünstigen technischen Hilfsmitteln zu haben.

Die von der in den Vereinigten Staaten ansässigen gemeinnützigen Organisation Reut USA entwickelte globale Plattform, vernetzt Techniker:innen, Designer:innen, Pflegekräfte und Menschen mit Behinderungen, um Antworten auf spezifische Probleme in den Bereichen Mobilität, Alltag, Sport und Musik zu finden. Das Online-Portfolio umfasst schon mehr als 1.000 Open-Source-Lösungen, die bis zu 99 % günstiger seien als marktübliche Produkte, berichtete Gideon Grinstein (Reut Institute). Hergestellt werden diese dezentral in Universitäten, Berufsschulen und Unternehmen. Mittlerweile sei TOM in 35 Ländern bzw. 62 Universitätsstandorten aktiv.

Dem ehemaligen Abgeordneten und Beauftragten für Barrierefreiheit im ORF Franz-Joseph Huainigg, der sich auch mittels eines KI-Avatars an der Diskussion beteiligte, war es ein großes Anliegen, dass die Bedürfnisse der Zielgruppe bei der Entwicklung von assistierenden Technologien im Mittelpunkt stehen. Auch Julia Moser (Interessensvertretung Frauen mit Behinderung) hielt es für sehr wichtig, dass sich die Betroffenen in den Innovationsprozess entsprechend einbringen können.

FÖRDERUNG DER BERUFLICHEN SELBSTÄNDIGKEIT VON JUNGEN MENSCHEN MIT BEHINDERUNGEN

SAMEE, eine NGO mit Sitz in Bournemouth (GB), bietet jungen Menschen mit Behinderungen im Alter von 18 bis 25 Jahren, die ihre Talente in der Geschäftswelt erkunden möchten, ein Programm zur Vorbereitung auf die berufliche Selbständigkeit, erläuterte Abgeordneter Christian Oxonitsch (SPÖ). Es sei ihm wichtig, gerade kleinen Initiativen wie SAMEE eine Bühne zu bieten, um sich noch besser vernetzen zu können.

Das 50-wöchige Programm umfasst ein berufsbezogenes Profiling, kompetenzbasierte Trainingseinheiten und drei maßgeschneiderte Praktika. Im Jahr 2023 haben zwölf Teilnehmer:innen das Programm abgeschlossen, davon gründeten neun ihr eigenes Unternehmen und drei fanden eine Teilzeitstelle, berichtete die Projektverantwortliche Samantha Everard. Zielgruppe seien insbesondere Menschen mit Lernschwierigkeiten oder Autismus. Das Programm wurde gemeinsam mit den Betroffenen entworfen, um eine nachhaltige Selbständigkeit zu erreichen, stellte Everard gegenüber Tobias Buchner (Pädagogische Hochschule Oberösterreich) fest.

ARBEITSPLÄTZE FÜR MENSCHEN MIT BEHINDERUNGEN IN INKLUSIVEN KLEINUNTERNEHMEN

2021 startete die Kärntner NGO „Diakonie de La Tour“ ein Programm für die Schaffung von sogenannten inklusiven Kleinunternehmen. Diese bieten Arbeitsplätze für Menschen mit intellektuellen oder mehrfachen Behinderungen, die damit gleichzeitig in das Sozialversicherungssystem integriert werden. Bis 2024 wurden 20 Arbeitsplätze in drei Unternehmen geschaffen, berichtete Michael Mellitzer (Diakonie Kärnten).

Menschen mit schweren Behinderungen, die als „arbeitsunfähig“ gelten, könnten in Österreich in der Regel nur in geschützten Werkstätten tätig sein und würden dort nur ein Taschengeld erhalten. Dadurch hätten sie aber keine eigene soziale Absicherung. In den „inklusiven Kleinunternehmen“, bei denen das Land Kärnten sämtliche Beschäftigungs- und Betreuungskosten übernimmt, erhalten die Mitarbeiter:innen einen fairen Lohn, zahlen ihre eigene Sozialversicherung und werden während der Einarbeitungszeit und darüber hinaus unterstützt, heißt es in der Beschreibung des Projekts.

Der erste inklusive Kleinbetrieb, Küche:Waiern, startete 2021 mit sechs Beschäftigten, gefolgt von Café/Bistro Gernda mit acht Beschäftigten und Akademie:Inklusiv, einer Bildungsakademie, mit sechs Beschäftigten. Michael Mellitzer führte gegenüber Rudolf Kravanja (ÖZIV) und Heidemarie Egger (Expertin mit Behinderungen) aus, dass man damit Menschen fördern konnte, die auf dem sogenannten ersten Arbeitsmarkt keine Chancen gehabt hätten.

Diese Initiative beweise eindrücklich, dass manches in Österreich doch gehe, unterstrich Fiona Fiedler (NEOS), die sich für dieses Projekt entschieden hat. Es sei eine Zumutung und Ausbeutung, wenn Menschen mit Behinderungen nur 5 Ꞓ Taschengeld pro Woche erhalten; damit müsse endlich Schluss sein.

„HANDICLAPPED“: EINE ONLINE-PLATTFORM ZUR FÖRDERUNG VON MUSIKER:INNEN MIT BEHINDERUNGEN

Die gemeinnützige Berliner Eventagentur „Handiclapped“ zur Förderung von Musiker:innen mit Behinderungen wurde von Ralph Schallmeiner (Grüne) präsentiert. Im Jahr 2021 wurde „Pinc Music“ ins Leben gerufen, eine kostenfreie Online-Plattform für inklusive Bands, Chöre, DJs und Solomusiker:innen mit Behinderungen, die von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen werden. Sie werden von der Agentur vor allem bei der Erstellung von Mutimediainhalten, Soundproben, Fotos und Hintergrundgeschichten unterstützt, um in der Folge von Konzertagenturen und Festivals gebucht zu werden. Im Jahr 2024 waren auf der Plattform 97 Bands mit mehr als 300 Musiker:innen.

Durch diese Initiative würden die Leistungen der Künstler:innen nicht nur anerkannt sowie Spaß und Lebensfreude vermittelt, sondern auch die Möglichkeit geboten, mit den Auftritten Geld zu verdienen, hob Ralph Schallmeiner (Grüne) hervor.

Er sei der festen Überzeugung, dass Musik eine Superpower hin zu einer offenen, inklusiveren Gesellschaft sei und vor allem Gemeinschaft schaffe, zeigte sich Thorsten Hesse (Handiclapped) überzeugt. Ein wichtiger Schritt war es auch, eine barrierefreie Anmeldung für die Künstler:innen sicherstellen, führte Hesse gegenüber Christian Specht (Behindertenparlament) und Marija Binova (Hilfsgemeinschaft der Blinden und Sehschwachen Österreichs) aus.

EDER-GITSCHTHALER: INKLUSION ALS GELEBTE REALITÄT

Die heutige Auftaktveranstaltung zur Zero Project Conference sei für sie eine Quelle der Inspiration gewesen, sagte Bundesratspräsidentin Andrea Eder-Gitschthaler, die gemeinsam mit dem Nationalratspräsidium zur heutigen Veranstaltung eingeladen hat. Die vorgestellten Projekte würden zeigen, dass Inklusion keine Vision sei, sondern gelebte Realität sein könne. Wichtig sei, gemeinsam Lösungen zu finden – denn Inklusion sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die über Parteigrenzen hinweg gemeinsame Anstrengungen erfordere. Die heutige Veranstaltung habe verdeutlicht, dass künstliche Intelligenz viele Möglichkeiten für innovative Lösungen bieten würde. Entscheidend sei aber, dass diese Entwicklungen von Anfang an inklusiv gedacht und gestaltet werden, denn nur so könnten neue digitale Barrieren verhindert werden. Es sei an der Zeit weiterzuarbeiten und sich gemeinsam für eine inklusive Gesellschaft einzusetzen, betonte die Bundesratspräsidentin in ihren abschließenden Worten.

ZERO PROJECT

Die Essl Foundation hat mit dem Zero Project das weltweit größte Netzwerk für Innovationen und Inklusion aufgebaut, um Barrierefreiheit und Menschen mit Behinderungen zu fördern. Die Veranstaltung im Hohen Haus basiert auf einer Auswahl von 77 Zero Preisträger:innen aus 45 Ländern, die für ihre innovativen, wirkungsvollen und skalierbaren Lösungen im Rahmen der Zero Project Conference ausgezeichnet werden. (Schluss) sue/bea

HINWEIS: Die Veranstaltung kann auch via Livestream mitverfolgt werden und ist als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.

HINWEIS: Fotos von dieser Veranstaltung sowie eine Nachschau auf vergangene Veranstaltungen finden Sie im Webportal des Parlaments.

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