
Wiener Einrichtungshandel unter Druck: Steigende Nachfrage nach Wohnraum bringt Potential für Erholung
Obmann Klein: „Es liegen turbulente Zeiten hinter uns“ – Mehrheit der rund 900 Wiener Einrichtungs- und Möbelhändler sind Kleinbetriebe
Die Einrichtungs- und Möbelbranche erlebte in den vergangenen Jahren turbulente Zeiten. Nach einem pandemiebedingten Boom, bei dem viele Haushalte verstärkt in ihre eigenen vier Wände investierten, hat sich die Lage im vergangenen Jahr deutlich eingetrübt. „Die Branche hatte in den letzten Jahren stark mit der hohen Inflation, steigenden Zinsen und einem veränderten Konsumverhalten zu kämpfen. Hinzu kommen explodierende Kosten für Energie, Personal und Mieten, was die Situation zusätzlich verschärft“, erklärt Johann Klein, Obmann des Landesgremiums Wien des Elektro- und Einrichtungsfachhandels. Von allen Handelsbranchen verzeichnet der Einrichtungshandel aktuell die stärksten Umsatzrückgänge: Im ersten Quartal 2024 sanken die Umsätze nominal um 16,6 Prozent, preisbereinigt sogar um 18,8 Prozent im Jahresvergleich. Die Gesamtausgaben in Wien für Möbel, Inneneinrichtung, Teppiche und Bodenbeläge betrugen im letzten Jahr rund 427 Millionen.
Bis wieder im größeren Stil investiert wird und die Branche das spürt, wird es noch etwas dauern – nicht nur bei den Händlern, auch bei den Herstellern. Einige Hersteller sind auf Kurzarbeit umgestiegen, das hat wiederum Auswirkungen auf die Beschaffung bei Lieferanten, die der Produktionskette vorgelagert sind. Das betrifft etwa Grafiker, Tischler, Schlosser, Glaser, Polsterer, Beschlägehersteller. Besonders stark hat das Geschäft mit Einbauküchen, die höhere Investitionen erfordern, gelitten, da die Neubautätigkeit eingebrochen ist. „Und wo keine neuen Häuser oder Wohnungen entstehen, werden auch keine neuen Küchen oder größere Möbelstücke gebraucht“, erklärt Klein.
„Derzeit haben sich die Lieferzeiten bei vielen Produkten halbiert, weil die Nachfrage zurückgegangen ist“, so Klein. „Es wird zwar gekauft, aber dabei lange überlegt, wie und in was investiert wird. Größere Anschaffungen werden heute oft ein Jahr im Voraus geplant, was zu verzögerten Einnahmen führt. Daher ist eine solide Liquiditätssicherung für Fachhändler essenziell.“
Wie es im neuen Jahr weitergeht, hängt auch maßgeblich vom Kundenverhalten ab und wie gut sich Unternehmen an die veränderten Marktbedingungen anpassen können, erklärt Klein. Auch die Insolvenz von Kika/Leiner und die Schließung der Filialen ist ein deutlicher Einschnitt für die Möbelbranche. Der Obmann sieht die Auswirkungen auf den Markt differenziert: „Ein Teil der Umsätze wird wahrscheinlich zu großen Playern wandern, die in Österreich eine enorme Marktstärke besitzen. Gleichzeitig könnten spezialisierte Fachhändler davon profitieren, sofern sie ihre Nische klar besetzen können. Doch die Branche ist sehr vielschichtig, und es ist schwer abzuschätzen, ob die freigewordenen Umsätze spürbar verteilt werden. Wie sich die Karten im Einrichtungssegment jetzt neu gemischt werden, bleibt abzuwarten.“
BRANCHE ERWARTET MODERATES WACHSTUM IM NEUEN JAHR
Positive Impulse sind dennoch erkennbar: Verbesserte Finanzierungsmöglichkeiten und ein wieder steigendes Interesse an Immobilien im neuen Jahr schaffen Potenzial für Erholung. Auch die Lohnerhöhungen, die über der aktuellen Inflationsrate liegen, könnten das verfügbare Budget der Haushalte steigern und so den Möbelkauf wieder beleben, so der Obmann. Und: Die Delle nach dem Mehrkonsum in den Pandemiejahren läuft langsam aus. „Wir sehen erste Anzeichen einer Erholung und rechnen für heuer mit einem moderaten Wachstum. Sobald sich die Konsumenten sicherer fühlen, werden auch größere Investitionen und Käufe in der Einrichtung wieder an Bedeutung gewinnen.“ Zudem setzt der Wiener Möbelhandel auf seine bewährten Stärken: Persönliche Beratung durch gut ausgebildetes Fachpersonal, maßgeschneiderte Lösungen und hochwertige Produkte. „Kaum jemand kauft eine Küche für 10.000 oder 20.000 Euro ohne persönliche Beratung. Hier zeigt sich die Stärke des stationären Fachhandels,“ so Klein.
STÄRKE DES WIENER EINRICHTUNGS- UND MÖBELHANDELS LIEGT IN SEINER VIELFALT UND LOKALEN VERWURZELUNG
Neben großen internationalen Möbelketten gibt es in Wien eine Vielzahl kleinerer, spezialisierter Möbelhändler, die eine wichtige Rolle am Markt einnehmen, insbesondere durch ihre individuellen Ansätze und spezialisierten Angebote: „Der Wiener Einrichtungshandel ist neben wenigen großen Betrieben vor allem durch viele Kleinst- und Kleinbetriebe geprägt, die auf individuelle Beratung, maßgeschneiderte Lösungen und persönliche Kundennähe setzen. Diese besondere Struktur macht den Wiener Möbelhandel vielseitig und anpassungsfähig“, betont Klein.
Mit 929 Einrichtungsfachhändlern, darunter Küchenhändler, Teppichhändler sowie Anbieter von Raumausstattungs- und Dekorationswaren, ist die Branche in Wien sehr vielseitig. Die Mehrheit der Betriebe agiert lokal: Über 90 Prozent der Unternehmen betreiben lediglich einen Standort in der Hauptstadt. Die Mehrheit der Wiener Einrichtungs- und Möbelhändler sind KMU, sie sind ein wichtiges Rückgrat der Branche: Von den 929 Betrieben sind 509 Ein-Personen-Unternehmen (EPU), 361 beschäftigen 1 bis 5 Mitarbeiter, 73 zählen 6 bis 10 Mitarbeiter, und 65 Unternehmen haben 11 bis 50 Mitarbeiter. Lediglich 5 Unternehmen beschäftigen zwischen 51 und 250 Mitarbeiter, während weitere 5 Betriebe mehr als 250 Mitarbeiter haben. Mit einem hohen Anteil an spezialisierten Fachhändlern und einer klaren Ausrichtung auf individuelle Kundenbedürfnisse ist die Branche breit aufgestellt, um sich den Herausforderungen der kommenden Jahre zu stellen.
TRENDS: ERLEBNISORIENTIERUNG UND DIGITALE KANÄLE
Um die Kundenbindung zu stärken, setzen kleinere Fachhändler zunehmend auf Nischenmärkte wie ökologische Möbel, barrierefreie Einrichtung oder exklusive Designerstücke – und bieten erlebnisorientierte Showrooms. Gleichzeitig kooperieren sie mit Architekten, Innenausstattern sowie lokalen Handwerksbetrieben und Bauunternehmen, um zusätzliche Synergien zu schaffen und die regionale Verankerung zu stärken.
Der Online-Handel spielt eine wachsende Rolle im Einrichtungs- und Möbelfachhandel, da mittlerweile 35 Prozent der Konsumenten Möbel und Wohnaccessoires (auch) online kaufen. Insbesondere bei einfacheren Produkten, die bequem von zu Hause aus bestellt werden können, nimmt der E-Commerce an Bedeutung zu. Auch wenn der Online-Handel sich in der Einrichtungsbranche fest etabliert hat, ist der stationäre Handel bei komplexen Projekten nach wie vor unverzichtbar, betont Klein.
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