Justiz: Opfer-Täter-Dialog als neue Form des Tatausgleichs

Anfang 2025 startete in Wien, Kärnten, Salzburg und Tirol der Modellversuch Opfer-Täter-Dialog. Mit diesem kann ein Tatausgleich erstmals auch außerhalb der Diversion erfolgen.

Nach einem Gerichtsurteil haben häufig sowohl Opfer als auch Täter:in Schwierigkeiten, die persönlichen Folgen einer Straftat aufzuarbeiten. Um diesem Problem Abhilfe zu schaffen, erprobt der Verein NEUSTART in enger Zusammenarbeit mit der Justiz eine neue Form des Tatausgleichs – den Opfer-Täter-Dialog. Der Modellversuch findet in den Landesgerichtssprengeln Wien, Kärnten, Salzburg und Tirol statt.

Dabei haben Opfer und Täter:in die Gelegenheit, Hintergründe und Folgen einer Straftat persönlich zu klären – und zwar zusätzlich zur rechtlichen Aufarbeitung durch die Gerichte. Bislang war ein Tatausgleich nur bei einer diversionellen Erledigung einer Straftat möglich, der Opfer-Täter-Dialog findet hingegen parallel zum Strafverfahren oder nach einem Urteil statt.

Die Teilnahme am Opfer-Täter-Dialog ist für alle Beteiligten freiwillig und kostenlos. Angeleitet werden sie dabei von eigens ausgebildeten Konfliktregler:innen des Vereins NEUSTART.

VORTEILE FÜR OPFER UND TÄTER:INNEN

„Opfer haben oft sehr lange unter einer Straftat zu leiden. Eine Gerichtsverhandlung oder ein Urteil schaffen zwar eine juristische Klärung der Tat, eine persönliche Aufarbeitung der Tatfolgen kann dabei oft nicht erreicht werden“, sagt Bernd Glaeser, Projektleiter des Modellversuchs. Genau hier setze der Opfer-Täter-Dialog an. Opfer werden dabei unterstützt, die Straftat zu verarbeiten und eine Wiedergutmachung des erlittenen Schadens zu erlangen. Bei Bedarf vermitteln die Konfliktregler:innen an Opferschutzorganisation weiter.

Auch Täter:innen ist es oft ein Anliegen, die Hintergründe ihres Delikts aufzuarbeiten und eine emotionale und materielle Wiedergutmachung zu erreichen. Dabei ist die professionelle Anleitung durch Mediator:innen hilfreich. Aus dem diversionellen Tatausgleich ist bekannt, dass eine intensive Auseinandersetzung mit dem Delikt die Resozialisierung fördert und Täter:innen dabei unterstützt, in Zukunft straffrei zu bleiben. Gelingen diese Auseinandersetzung mit der Tat und die Wiedergutmachung des Schadens beim Opfer-Täter-Dialog, können Gerichte das strafmildernd berücksichtigen. Ein weiterer Vorteil ist, dass langwierige Zivilverfahren vermieden werden, wenn verursachte Schäden bereits ersetzt wurden.

ANWENDUNGSFELDER

Der Opfer-Täter-Dialog kann in einem Hauptverfahren angewendet werden, wenn eine Diversion nicht in Frage kommt – etwa, weil die Beschuldigten vorbestraft sind oder das Delikt mit einer Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren bedroht ist. Ein weiteres Anwendungsfeld ist nach einer Verurteilung und zwar dann, wenn Opfer und Täter:in über die juristische Entscheidung hinaus persönlichen Klärungsbedarf haben.

RESTORATIVE JUSTICE – WIEDERGUTMACHENDE GERECHTIGKEIT

Der Opfer-Täter-Dialog ist ein Angebot im Sinne der so genannten Restorative Justice (wiedergutmachende Gerechtigkeit), bei der die Klärung einer Straftat über die Frage nach Schuld und Strafe hinausgeht. Internationale Empfehlungen (UN Principles, Empfehlungen des Europarats, Venedig-Erklärung der Konferenz der europäischen Justizminister:innen) betonen ausdrücklich: Restorative Justice soll in allen Phasen des Strafprozesses möglich sein und in den Rechtssystemen implementiert werden. Die aktuelle Initiative Opfer-Täter-Dialog ist in Österreich ein Schritt in diese Richtung. Der Modellversuch ist bis Ende 2026 angesetzt und wird wissenschaftlich begleitet.

www.neustart.at

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ÜBER NEUSTART

Seit 1957 arbeitet NEUSTART in den Bereichen Straffälligenhilfe (Bewährungshilfe, Haftentlassenenhilfe), Opferhilfe und Prävention. NEUSTART ist im Auftrag der Justiz tätig, verantwortet die Sozialarbeit im Zuge des elektronisch überwachten Hausarrests (Fußfessel) und bietet Tatausgleich und die Vermittlung gemeinnütziger Leistungen im Zuge der Diversion an. In fünf Bundesländern führt NEUSTART Gewaltpräventionsberatung im Auftrag des Innenministeriums durch. Der Verein bietet Einzelnen und der Gesellschaft Hilfen und Lösungen zur Bewältigung von Konflikten und zum Schutz vor Kriminalität an. NEUSTART beschäftigt rund 750 haupt- und 900 ehrenamtliche Mitarbeiter:innen. Damit ist NEUSTART eine der größten Non-Profit-Organisationen in Österreich.

Verein Neustart
Thomas Marecek
Telefon: 0676/84 73 31 127
E-Mail: thomas.marecek@neustart.at

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