
Kammer für Ärztinnen und Ärzte in Wien: Konzernisierung der Medizin gefährdet unsere Gesundheit massiv
Steinhart: „Betriebswirte und Controller dürfen nicht uns Ärztinnen und Ärzten vorschreiben, wie wir unsere Patientinnen und Patienten zu behandeln haben.“
Die zunehmende Konzernisierung der Gesundheitsversorgung in Wien und Österreich bedroht die Qualität der medizinischen Betreuung und den freien Arztberuf. Die Freiberuflichkeit umfasst das Recht von Ärztinnen und Ärzten, die Patientinnen und Patienten ausschließlich nach medizinischen Kriterien zu behandeln. Die Ärztinnen und Ärzte sind frei in der Wahl der geeigneten Diagnose- und Behandlungsmethoden. Internationale Beispiele zeigen, welche dramatischen Folgen die Privatisierung der Gesundheitsversorgung für Patientinnen und Patienten haben.
Die Kammer für Ärztinnen und Ärzte in Wien richtet daher einen dringenden Appell an die Politik, das österreichische Gesundheitssystem vor internationalen Spekulanten zu schützen. Seit der Reform des letzten Gesundheitsministers stehen die Türen für private Konzerne weit offen. „Wir müssen sofort gegensteuern! Die Politik muss die Notbremse ziehen, bevor wir sehenden Auges den gleichen Negativkurs in Richtung einer Investoren-gesteuerten Medizin einschlagen, den Deutschland aktuell verzweifelt zu verlassen versucht“, so Johannes Steinhart, Präsident der Kammer für Ärztinnen und Ärzte in Wien. „Heuschrecken haben in der Gesundheitsversorgung nichts verloren. Betriebswirte und Controller dürfen nicht uns Ärztinnen und Ärzten vorschreiben, wie wir unsere Patienten zu behandeln haben. Die Politik muss deshalb weiteren Verkäufen öffentlicher Versorgungseinrichtungen an Investoren per Gesetz einen Riegel vorschieben.“ Das betonte Johannes Steinhart auch am Montag bei der Buchpräsentation von KRANK GESPART, wo der Gesundheitsjournalist und Buchautor Martin Rümmele analysiert, wie Konzerne, Berater sowie politische Entscheidungen das Gesundheitssystem schrittweise aushöhlen und patientenfreundliche Strukturen gefährden.
Die Kammer für Ärztinnen und Ärzte in Wien fordert von der neuen Bundesregierung:
* VORRANG FÜR ÄRZTINNEN UND ÄRZTE: Die neue Bundesregierung muss langfristig sicherstellen, dass die Sozialversicherung nur Verträge mit Ambulatorien abschließen kann, wenn zuvor alle Anstrengungen unternommen wurden, die Versorgung durch niedergelassene Ärztinnen und Ärzte sicherzustellen.
* SCHUTZ DES FREIEN ARZTBERUFES: Die ärztliche Entscheidung muss frei von wirtschaftlichem Druck bleiben. Patientinnen und Patienten dürfen nicht nach Profitkriterien behandelt werden.
* BEGRENZUNG PRIVATER INVESTITIONEN IN DIE GESUNDHEITSVERSORGUNG: Medizinische Einrichtungen müssen dem Wohl der Patientinnen und Patienten dienen, nicht den Renditeerwartungen von Investoren.
* SICHERUNG DES SOLIDARISCHEN GESUNDHEITSSYSTEMS: Alle Menschen müssen unabhängig von ihrer finanziellen Situation Zugang zu einer hochwertigen Gesundheitsversorgung haben.
„Oft wird davon ausgegangen, dass medizinische Einrichtungen wie ein Industrie- oder ein Privatunternehmen geführt werden müssen. Dadurch wird in der medizinischen Versorgung eine betriebliche Logik etabliert, in der Effizienzsteigerung zum Selbstzweck wird. Das schnelle Durchschleusen der Patientinnen und Patienten durch das System wird zur Normalität. Ohne Zeit können wir keine gute Medizin betreiben. Medizin vom Fließband ist nicht effizienter, sie gefährdet die Gesundheit und die Versorgung“, so Martin Rümmele.
Aktuelle internationale Studien untermauern die Warnungen der Kammer und zeigen die negativen Folgen der zunehmenden Konzernisierung der Medizin auf. Eine Studie des renommierten Journal of the American Medical Association belegt, dass in privatisierten Spitälern die Zahl an im Krankenhaus erworbenen Erkrankungen, Wundinfektionen, Blutinfektionen und Stürzen signifikant gestiegen ist.
Zusätzlich zeigt eine Analyse im British Medical Journal, dass private Investitionen in das Gesundheitswesen mit steigenden Kosten für Patientinnen und Patienten sowie Krankenkassen verbunden sind. In den USA, wo die Privatisierung des Gesundheitswesens besonders weit fortgeschritten ist, sind diese Effekte bereits deutlich zu erkennen.
VAMED ALS NAGELPROBE FÜR ÖSTERREICH
Ein besonders alarmierendes Beispiel für die zunehmende Konzernisierung des Gesundheitswesens ist der Einfluss privater Investoren auf die VAMED-Gruppe. Große Teile wurden in einem eigenständigen Unternehmen unter dem Dach des neuen französischen Mehrheitseigentümers gebündelt. Zuvor hatte ein Konsortium der Baukonzerne Porr und STRABAG das Österreich-Kerngeschäft der VAMED bereits im Mai um 90 Mio. Euro übernommen. Das betraf Anteile an mehreren Thermen in Österreich, die technische Betriebsführung des Allgemeinen Krankenhauses Wien (AKH Wien) und das österreichische VAMED-Projektgeschäft.
ÜBER DAS BUCH „KRANK GESPART“
In seinem Buch „Krank gespart“ liefert der Gesundheitsjournalist Martin Rümmele mit seiner jahrelangen Erfahrung spannende Einblicke, fundierte Analysen und Daten zu aktuellen Entwicklungen im Gesundheitssystem. Er zeigt, wie Netzwerke von Konzernen, Beratern, Lobbyisten und die Politik das Gesundheitswesen ausbluten lassen und damit verdienen. Der Autor kritisiert dabei unter anderem den Spar- und Optimierungsdruck. Man könne das Gesundheitswesen nicht nach Kosten und Absatzzahlen bewerten. „Gesundheit und die Versorgung von Menschen funktionieren deutlich komplexer.“
Kammer für Ärztinnen und Ärzte in Wien
Mag. Rainer Hauptmann
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