Verfassungsausschuss: Neue Bundesregierung will nationale Strategie gegen Antisemitismus fortführen und weiterentwickeln

38 von 41 Maßnahmen umgesetzt, aber weiter viel Handlungsbedarf

Die neue Bundesregierung bekenne sich klar zur Förderung von jüdischem Leben in Österreich und zum Kampf gegen Antisemitismus. Das betonte Staatssekretär Alexander Pröll heute im Verfassungsausschuss des Nationalrats. Zwar seien die Vorhaben der nationalen Strategie gegen Antisemitismus großteils umgesetzt, „wir dürfen uns aber nicht auf den Lorbeeren ausruhen“, bekräftigte er. Vielmehr sehe das Regierungsprogramm eine Stärkung und Weiterentwicklung der Strategie vor. Bis Ende des Jahres soll Pröll zufolge ein neues Programm vorliegen. Auch die Antisemitismusstudie des Parlaments wird ihm zufolge fortgeführt. Zudem hätten sich die Regierungsparteien auf eine Machbarkeitsstudie zur Einrichtung eines Holocaust-Museums verständigt. Aus der bestehenden Strategie noch offen sind unter anderem Schulungen für Lehrer:innen und die Polizei.

Von Seiten der Abgeordneten wurden Bericht und Strategie großteils gelobt. Allerdings gaben sowohl die FPÖ-Abgeordneten Harald Stefan und Gernot Darmann als auch Lukas Hammer (Grüne) zu bedenken, dass die antisemitischen Vorfälle in den vergangenen Jahren trotz Strategie massiv gestiegen seien. Die FPÖ führt das insbesondere auf die Zuwanderung von Muslimen zurück, während die anderen Parteien auch auf Antisemitismus in rechtsextremen Kreisen und in der „Corona-Szene“ verwiesen. Eine Diskussion zwischen den Abgeordneten entspann sich außerdem über die Frage, ob Judenhass oder Antisemitismus der treffendere Begriff sei.

38 VON 41 VORHABEN UMGESETZT

Basis für die Diskussion im Ausschuss bildete der Umsetzungsbericht 2023/24 zur nationalen Strategie gegen Antisemitismus (III-102 d.B.), den noch die damalige Kanzleramtsministerin Karoline Edtstadler dem Nationalrat vorgelegt hat. Aus dem Bericht geht hervor, dass 38 von 41 Vorhaben mittlerweile umgesetzt wurden. Dazu zählen etwa die Novellierung des Verbotsgesetzes und die Einrichtung eines Zentrums für Antisemitismusforschung in der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Das Bewusstsein für Antisemitismus sei durch die nationale Strategie gestärkt worden, man habe Bildungsinitiativen ins Leben gerufen, Sicherheitsmaßnahmen für jüdische Einrichtungen verbessert und den Dialog gefördert, hebt Edtstadler im Bericht hervor.

Drei Maßnahmen sind laut Umsetzungsbericht langfristig angelegt und befinden sich noch in Umsetzung. Dazu zählt die Etablierung einer Dokumentationsstelle zur Bekämpfung von Antisemitismus unter Einbeziehung der Israelitischen Kultusgemeinde sowie die spezifische Aus- und Fortbildung von Verwaltungs- und Exekutivbediensteten sowie Lehrpersonal. Die Antisemitismus-Meldestelle der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) hat 2023 laut Bericht insgesamt 1.147 antisemitische Vorfälle in Österreich verzeichnet, das sind um fast 60 % mehr als 2022 (719). Auch das bisherige Negativrekordjahr 2019 (965) wurde damit übertroffen.

„KAMPF GEGEN ANTISEMITISMUS IST MARATHON“

Heute nahm Edtstadler als ÖVP-Abgeordnete zum Bericht Stellung. In einer Zeit, wo antisemitische Tendenzen in Österreich und in Europa an Fahrt gewinnen würden, sei der Kampf gegen Antisemitismus umso wichtiger, sagte sie. Dieser sei „kein Sprint, sondern ein Marathon“. Für genauso wichtig wie Bekämpfung von Antisemitismus hält es Edtstadler zudem, jüdisches Leben in Österreich zu fördern. Auch gelte es alles zu tun, um die Erinnerungskultur aufrechtzuerhalten. Auf die nationale Strategie hat es laut Edtstadler durchwegs positive Reaktionen geben, sowohl in der EU als auch in Israel.

Zu Wortmeldungen von Seiten der FPÖ, wonach der zunehmende Antisemitismus in Österreich auf muslimische Zuwanderer zurückzuführen sei, hielten Edtstadler, Birgit Schatz (SPÖ) und Wolfgang Gerstl (ÖVP) fest, dass jede Form von Antisemitismus zu bekämpfen sei, egal von welcher Seite er komme. Es gehe nicht um die Frage, „welcher Antisemitismus der schrecklichere sei“, sagte Gerstl. Schatz wies zudem auf Antisemitismus im Umfeld der „Corona-Szene“ hin. Es gebe Antisemitismus mit muslimischem und linksextremistischem Hintergrund, aber auch Antisemitismus „aus der rechtsextremen Ecke“, betonte sie. Man müsse diesen gesamthaft bekämpfen. Laut Schatz haben antisemitische Vorfälle besonders im Online-Bereich zugenommen, es gebe aber auch gewalttätige physische Übergriffe.

Mit Blick auf das Regierungsprogramm zeigte sich Schatz zuversichtlich, dass der Schutz und die Sicherheit für die jüdische Gemeinde in Österreich sichergestellt werden kann. Auch

Stephanie Krisper (NEOS) verwies auf das Programm.

Lukas Hammer (Grüne) appellierte an die Koalitionsparteien, den Kampf gegen Antisemitismus mit derselben Intensität weiterzuführen wie dies die letzte Regierungskoalition getan hat. Dass die antisemitischen Vorfälle trotz Strategie im Steigen sind, zeigt für ihn, dass es mit der Strategie allein nicht getan sei. Der Kampf gegen Antisemitismus sei eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung, unterstrich er. Insbesondere mahnte er ausreichende Unterstützung für kleine Initiativen ein.

FPÖ FÜHRT ZUNAHME DER ANTISEMITISCHEN VORFÄLLE AUF ZUWANDERUNG ZURÜCK

Seitens der FPÖ gaben Harald Stefan und Gernot Darmann zu bedenken, dass die antisemitischen Vorfälle zuletzt „explodiert“ seien, wie Darmann sagte. Und das, obwohl fast alle Punkte der nationalen Stratege gegen Antisemitismus abgearbeitet worden seien. Sie führen diese Entwicklung auf die Zuwanderung zurück. Der „Judenhass“ sei importiert, ist Stefan überzeugt. Die Mitglieder der Kultusgemeinde wüssten genau, von wem sie sich auf der Straßen fürchten müssten, nämlich vor jungen Zuwanderern. Es gebe eine Zuwanderung von Menschen in die Gesellschaft, die Juden ablehnen und hassen würden. Hier müsse man vorrangig ansetzen, forderte er. Bei Corona-Demonstrationen seien hingegen auch Vertreter:innen mit Israel-Fahnen dabei gewesen. Für Darmann ist es unverständlich, warum in Zusammenhang mit Antisemitismus „immer Rechtsextremismus herausgezogen wird“.

Allgemein plädierte FPÖ-Abgeordneter Stefan dafür, in der Diskussion nicht ständig mit dem seiner Meinung nach unklaren Begriff des Antisemitismus zu agieren, sondern den Begriff Judenhass zu verwenden. Das sei es schließlich, worum es eigentlich gehe, meinte er. Dem widersprach allerdings unter anderem Grün-Abgeordneter Hammer: Es gehe nicht um Hass gegen einzelne Personen, sondern um antisemitische Konstrukte und Erzählungen, etwa dass die Corona-Pandemie von der „Ostküste“ gesteuert worden sei. Antisemitismus basiere auf einer bestimmten Ideologie.

Der Bericht wurde schließlich einstimmig zur Kenntnis genommen und soll gemäß einem Beschluss des Ausschusses auch im Plenum des Nationalrats diskutiert werden (Schluss Verfassungsausschuss) gs

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