Verfassungsausschuss widmet sich ORF-Gremienreform

Ausschussobfrau Duzdar kündigt zeitnahe Lösung an

Die Verhandlungen über die aufgrund eines VfGH-Urteils notwendige ORF-Gremienreform sind noch nicht abgeschlossen. Laut Verfassungsausschuss-Obfrau Muna Duzdar (SPÖ) sei man aber bemüht eine zeitnahe Lösung zu finden, wie sie bei der heutigen Sitzung des Verfassungsausschuss des Nationalrats sagte. Eine dazu bereits vorliegende Initiative seitens der Grünen wurde vertagt.

Im Ausschuss zur Debatte standen außerdem zwei Anträge der FPÖ zum Ausbau der direkten Demokratie, die ebenfalls vertagt wurden. Die Freiheitlichen wollen es der Bevölkerung unter anderem ermöglichen, Gesetze am Parlament vorbei zu beschließen. In Zusammenhang mit der bevorstehenden Besetzung von zwei Richter:innenposten am Verfassungsgerichtshof (VfGH) mahnten die Grünen Hearings im Nationalrat ein. Auch diese Initiative wurde vertagt, allerdings die Möglichkeit eingeräumt, die Anliegen bei einem Verfassungskonvent zu diskutieren.

ORF-GREMIENREFORM: GRÜNE FORDERN RASCHE GESETZESREPARATUR

Nach einem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 5. Oktober 2023 sind einzelne Bestimmungen des ORF-Gesetzes betreffend die Bestellung und die Zusammensetzung des Stiftungsrats und des Publikumsrats verfassungswidrig. Nach Ansicht des Höchstgerichts ist der gebotene Pluralismusaspekt nicht ausreichend abgesichert, da die Bundesregierung zu viel Gewicht und zu viel Entscheidungsspielraum bei der Besetzung der beiden Gremien habe.

Da die Aufhebung der betroffenen Bestimmungen mit Ende März 2025 wirksam wird, fordern die Grünen eine rasche Lösung und haben dazu einen Entschließungsantrag (107/A(E)) vorgelegt, der heute jedoch mit den Stimmen der Koalitionsparteien und der FPÖ vertagt wurde. Um eine größtmögliche Effektivität und parteipolitische Unabhängigkeit sicherzustellen, plädieren Sigrid Maurer und ihre Fraktionskolleg:innen dafür, die Anzahl der Mitglieder im Stiftungsrat zu senken, geheime Abstimmungen zu ermöglichen und bei wichtigen Entscheidungen qualifizierte Mehrheiten vorzusehen. Zudem treten sie für eine zwingende Geschlechterparität sowohl im Stiftungsrat als auch im Publikumsrat und die Einrichtung einer Ombudsstelle für Anliegen des Publikums ein.

Dass die Gesetzesreparatur nicht bereits der Vorgängerregierung gelungen sei, lag nicht an ihrer Partei, sagte Maurer (Grüne). Nun sei der Zeitraum zur dringenden Reparatur allerdings geschwunden, mahnte sie die VfGH-Deadline ein. Sie sprach von einer informell kolportierten „Minimalstlösung“, die sich aus ihrer Sicht realistischer Weise wohl nicht mehr bis Ende März ausgehen werde.

SPÖ-Mandatarin und Obfrau des Verfassungsausschusses Muna Duzdar hingegen zeigte sich gegenüber einer rechtzeitigen Gesetzesvorlage optimistisch. Die Dringlichkeit sei den Regierungsparteien bewusst, man werde an einer guten Lösung arbeiten und sei bemüht, zeitnah einen weiteren Ausschusstermin zur Auseinandersetzung mit dem Thema zu finden, sagte sie auf Nachfrage von Gernot Darmann (FPÖ). Sie ersuchte wie auch ihr SPÖ-Kollege Christian Oxonitsch um Nachsicht, da die Bundesregierung erst kürzlich angelobt wurde.

BESTELLUNG VON ZWEI VERFASSUNGSRICHTER:INNEN

Thema im Verfassungsausschuss war außerdem die bevorstehende Nachbesetzung von zwei Richter:innenposten am VfGH, für die der Regierung das Vorschlagsrecht zukommt. Zum einen hat Helmut Hörtenhuber mit Ende 2024 sein Richteramt zurückgelegt, zum anderen wird Claudia Kahr mit Ende April 2025 aus dem Höchstgericht ausscheiden. Geht es nach den Grünen, sollten sich die jeweiligen Kandidat:innen für die Nachfolge einem Hearing im Parlament stellen müssen. Damit könnte man das Nominierungsverfahren „aus dem Hinterzimmer holen“, hält Alma Zadić dazu in einem Entschließungsantrag (95/A(E)) fest. Immerhin würde sich die neue Bundesregierung in ihrem Programm generell zu einer transparenten Personalbestellung bekennen, meinte sie. SPÖ und NEOS hätten sich in der Vergangenheit außerdem bereits für öffentliche Hearings ausgesprochen, erinnerte Zadić.

Eine Mehrheit für den Antrag gab es allerdings nicht. Er wurde von ÖVP, SPÖ und NEOS mit Verweis auf einen möglichen künftigen Verfassungskonvent vertagt. Selma Yildirim (SPÖ) sieht indes Handlungsbedarf hinsichtlich transparenter Besetzungen. Es gebe eine ganze Reihe an Maßnahmen, die man unter Einbeziehung der Oppositionsparteien bei einem Verfassungskonvent besprechen könnte. Ein solcher solle möglichst bald ins Leben gerufen werden. Auch Wolfgang Gerstl (ÖVP) und Nikolaus Scherak (NEOS) sagten zu, die Thematik in diesem Rahmen öffentlich diskutieren zu wollen.

FPÖ POCHT AUF AUSWEITUNG DER DIREKTEN DEMOKRATIE

Schließlich schickte der Verfassungsausschuss auch zwei Anträge der FPÖ zum Ausbau der direkten Demokratie und der parlamentarischen Minderheitsrechte in die Warteschleife. Konkret wollen FPÖ-Chef Herbert Kickl und sein Fraktionskollege Michael Schilchegger der Bevölkerung ermöglichen, auf Basis sogenannter „Volksinitiativen“ Gesetze ohne Nationalratsmehrheit zu beschließen. Dafür soll es zunächst der Unterstützung von 4 % der Wohnbevölkerung, also rund 250.000 Personen, und danach einer Mehrheit bei einer Volksabstimmung (bei einer Wahlbeteiligung von mindestens 33,3 %) bedürfen. Für Verfassungsgesetze sieht der Entschließungsantrag (79/A(E)) höhere Hürden vor. Außerdem sollen ein Drittel der Nationalratsabgeordneten bzw. 100.000 Wahlberechtigte eine „Veto-Volksabstimmung“ über bereits beschlossene Gesetze sowie Volksbefragungen zu bundesweit relevanten Themen erzwingen können. Wobei in Bezug auf Volksbefragungen bereits eine fertiger Gesetzentwurf in Form einer Verfassungsnovelle (86/A) ausgearbeitet wurde. Der Ausbau der direkten Demokratie wäre das beste Mittel, um das Vertrauen der Bürger:innen in die Politik zurückzugewinnen, argumentierten Harald Stefan und Gernot Darmann (beide FPÖ) die abermalige freiheitliche Forderung.

Agnes Sirkka Prammer (Grüne) und Selma Yildirim (SPÖ) brachten zum Ausdruck, dem FPÖ-Vorstoß nichts abgewinnen zu können. Umso wichtiger sei eine breite Diskussion über demokratiepolitische Begriffe, meinte Yildirim. Den Ausbau direktdemokratischer Beteiligungsmöglichkeiten könnte man allerdings diskutieren, erinnerte Prammer ebenso wie Alma Zadić (ebenfalls Grüne) an das in ihren Augen sinnvolle Beispiel des Bürgerrats. Man müsse gut abwägen, wenn demokratisch nicht-legitimierte Verteter:innen einbezogen werden sollen und wann die repräsentative Demokratie das geschicktere Mittel für Entscheidungen wäre, meinte dazu Wolfgang Gerstl (ÖVP). Bei einem Verfassungskonvent könnte man sich auch der Weiterentwicklung von direktdemokratischen Instrumenten widmen, befand Nikolaus Scherak (NEOS). (Fortsetzung Verfassungsausschuss) fan/gs

————————-

Pressedienst der Parlamentsdirektion
Parlamentskorrespondenz
Tel. +43 1 40110/2272
pressedienst@parlament.gv.at
http://www.parlament.gv.at
www.facebook.com/OeParl
www.twitter.com/oeparl

OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS. www.ots.at
© Copyright APA-OTS Originaltext-Service GmbH und der jeweilige Aussender