
Gesundheitsausschuss einstimmig für neuen Bericht zur Gesundheit von Menschen mit Behinderungen
FPÖ für „echte Gesundheitsreform“; Grüne für Impfen in Apotheken, neues Sanitätergesetz und psychologische Unterstützung junger Menschen
In seiner ersten regulären Sitzung startete der Gesundheitsausschuss mit einem einstimmigen Beschluss in die neue Gesetzgebungsperiode. Die Grünen erhielten die Zustimmung aller Fraktionen für ihre Forderung zur Erstellung eines Bericht über die gesundheitliche Situation und Versorgung von Menschen mit Behinderungen. Auf dessen Basis sollen weitere Maßnahmen zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung von Menschen mit Behinderungen abgeleitet werden.
Die weiteren Anträge von FPÖ und Grünen wurden hingegen mit der Mehrheit von ÖVP, SPÖ und NEOS vertagt. Die Freiheitlichen erneuerten ihre Forderung nach einer „echten Gesundheitsreform“. Zwar sahen die Redner:innen der anderen Fraktionen einzelne Forderungen der Freiheitlichen durchaus als sinnvoll an, der Antrag als Ganzes fand aber keine Zustimmung bei ihnen.
In den vier weiteren Anträgen der Grünen traten diese für das Impfen in Apotheken, die Möglichkeit zur Wirkstoffverschreibung sowie für eine Novellierung des Sanitätergesetzes mit einem „modernen“ Ausbildungskonzept ein. Zudem forderten sie die langfristige Absicherung des Projekts „Gesund aus der Krise“. Gesundheitsministerin Korinna Schumann versicherte die grundsätzliche Verankerung der psychotherapeutischen und psychologischen Unterstützung junger Menschen im Regierungsprogramm und die Finanzierung des Projekts für dieses Jahr.
GRÜNE FORDERN BERICHT ZUR GESUNDHEITLICHEN SITUATION UND VERSORGUNG VON MENSCHEN MIT BEHINDERUNGEN
Laut Zahlen der Statistik Austria erleben 25 % der österreichischen Bevölkerung aufgrund ihrer gesundheitlichen Situation Beeinträchtigungen im Alltag, rund 570.000 Personen gelten als stark beeinträchtigt, zeigt Ralph Schallmeiner (Grüne) in einem Entschließungsantrag auf (102/A(E)). Das heimische Gesundheitssystem sei jedoch im Umgang mit Behinderungen überfordert. So gebe es zu wenige barrierefreie Arztpraxen sowie Ambulanzen. Zudem würden Menschen mit Behinderungen, insbesondere jene mit intellektuellen Problemen, häufig nicht ernst genommen. Um einen besseren Einblick in die Herausforderungen und Probleme dieser Personengruppe zu bekommen, schlagen die Grünen die Erstellung eines eigenen Berichts durch die Gesundheit Österreich GmbH (GÖG) vor. Dieser soll die gesundheitliche Situation und Versorgung von Menschen mit Behinderungen näher beleuchten und so zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung beitragen. In der Ausschussdebatte schlossen sich alle Redner:innen der Forderung an und der Antrag wurde einstimmig angenommen.
So strich Ralph Schallmeiner (Grüne) die generelle Bedeutung von Berichten für die Politik zur Verbesserung von Rahmenbedingungen hervor und führte als positives Beispiel den Frauengesundheitsbericht an.
Verena Nussbaum (SPÖ) schloss sich der Forderung an. Es sei wichtig, die Situation von Menschen mit Behinderungen darzustellen. Sie seien besonders von chronischen Krankheiten betroffen und ihr Sterbealter sei im Durchschnitt um 20 Jahre früher.
Für eine umfassende Barrierefreiheit, nicht nur bei der Erreichbarkeit von Behandlungsräumen, sondern auch in der Kommunikation zwischen Patient:innen und Ärzt:innen oder bei Gesundheitshotlines, sprach sich Fiona Fiedler (NEOS) aus und begrüßte den Vorstoß der Grünen.
FPÖ: „ECHTE GESUNDHEITSREFORM“ STATT „WEITER WIE BISHER“
Gerhard Kaniak (FPÖ) erneuert seine Forderung nach einer „echten Gesundheitsreform“, die organisatorische, personelle und finanzielle Maßnahmen umfasst (56/A(E)). So sollten im Bereich Personal seiner Ansicht nach in erster Linie die beruflichen Rahmenbedingungen geändert und die strukturellen Probleme gelöst werden. Im Fokus sollten auch Entbürokratisierungsschritte, die Erweiterung der Kompetenzen der jeweiligen Berufsfelder sowie finanzielle Fairness gegenüber allen Mitarbeiter:innen stehen. Zur Bewältigung der Pensionierungswelle soll es der FPÖ nach Anreize zur Weiterbeschäftigung und eine temporären Aufhebung der Altersgrenze für Kassenärzt:innen geben. Zudem schlägt Kaniak unter anderem eine Integration der Wahlärzt:innen in das öffentliche Gesundheitssystem sowie Stipendien für Medizinstudent:innen, die sich nach Studienabschluss zur Annahme einer Kassen- oder Spitalsstelle verpflichten, vor. Zudem übt Kaniak Kritik am Bewertungsboard und fordert, dass die Medikationsentscheidung weiterhin auf medizinischer und nicht auf ökonomischer Ebene getroffen wird. Im Sinne einer langfristigen Reform müssten letztlich die „Finanzierung aus einer Hand“ angestrebt, die wohnortnahe Versorgung ausgebaut und die Patientenströme durch Positiv-Anreize in die richtige Richtung gelenkt werden. Angesichts von gleichzeitig stark unter- und überversorgter Regionen gelte es eine gleichwertige Versorgung in Österreich wieder herzustellen, forderte Kaniak im Ausschuss. Ebenso müssten die schlechten Rahmenbedingungen für das Personal beseitigt und Entbürokratisierungsschritte gesetzt werden.
Die anderen Redner:innen befanden Teile des Antrags, aber nicht die gesamte Initiative als sinnvoll. So sah Fiona Fiedler (NEOS) einzelne Forderungen wie die Entbürokratisierung im Regierungsprogramm verankert. Ähnlich äußerte sich Ralph Schallmeiner (Grüne). Insgesamt würden die negativen Punkte im Antrag überwiegen, urteilte der Gesundheitssprecher der Grünen. Während er die finanzielle Fairness gegenüber Mitarbeiter:innen als positiv befand, hatte er Bedenken zu den Ausnahmebestimmungen für ältere Ärzt:innen oder zur Einbindung von Wahlärzt:innen ins Kassensystem. Den kritischen Punkten schloss sich Verena Nussbaum (SPÖ) an und verwies aber auch darauf, dass an einigen der genannten Vorschläge bereits gearbeitet werde. Der Antrag wurde mit der Stimmenmehrheit von ÖVP, SPÖ und NEOS vertagt.
GRÜNE WOLLEN DAS IMPFEN IN APOTHEKEN ERMÖGLICHEN
Den Grünen nach soll das Impfen künftig auch in Apotheken möglich sein (101/A). Aufgrund des niederschwelligen Zugangs zu Impfungen in den rund 1.400 heimischen Apotheken sei mit einer Erhöhung der Impfquote zu rechnen, argumentiert Antragstellsteller Ralph Schallmeiner (Grüne). Zudem könnten Krankheiten vermieden und daraus resultierende Folgekosten für das Gesundheitssystem reduziert werden. Ebenso würde dies den niedergelassenen Bereich entlasten sowie Wartezeiten verkürzen. In der Ausschussdebatte bemängelte Schallmeiner, dass die Impfmöglichkeit in Apotheken nicht im Regierungsprogramm verankert sei. Dieser niederschwellige Zugang sei international üblich und würde eine Aufwertung der Apotheken bedeuten. Der Antrag wurde von ÖVP, SPÖ und NEOS vertagt.
Ausschussobmann Gerhard Kaniak (FPÖ) verwies auf einen Kompromissvorschlag, wonach Erstimpfungen weiter bei Ärzt:innen erfolgen sollen und nur Auffrischungsimpfungen in Apotheken möglich sein sollen. Angesichts bestehender Ausnahmeregelungen für andere Berufsgruppen befand er es als „eigenartig“, dass in Apotheken nicht geimpft werden dürfe. Angesichts gestiegener Probleme wie bei Maserninfektionen sei es wichtig, die Impfrate zu steigern, meinte Martina Diesner-Wais (ÖVP), befand aber die geltende Regelung des Impfens nur bei Ärzt:innen als sinnvoll. Die Impfmöglichkeit in Apotheken befürwortete Fiona Fiedler (NEOS), um die „Impfmüdigkeit“ zu bekämpfen und die Durchimpfungsrate zu steigern. Von einer besorgniserregend niedrigen Durchimpfungsrate sprach auch Rudolf Silvan (SPÖ) und bedauerte ebenfalls, dass in den Regierungsverhandlungen keine Einigung zu dieser Forderung erzielt werden konnte.
GRÜNE TRETEN FÜR DIE MÖGLICHKEIT ZUR WIRKSTOFFVERSCHREIBUNG EIN
Ärzt:innen sollen künftig die Möglichkeit erhalten, nicht mehr nur ein Arzneimittel sondern auch einen Wirkstoff verschreiben zu können. Dies sieht ein Initiativantrag von Ralph Schallmeiner (Grüne) vor (100/A). Die für das Gesundheitswesen zuständige Bundesministerin soll der Forderung der Grünen nach künftig Ausnahmekriterien von der Wirkstoffverschreibung mittels Verordnung festlegen können. Dort wo es medizinisch notwendig ist, wie im Fall chronischer Krankheiten, soll die namentliche Verschreibung aber weiterhin erlaubt sein. Ziel der Regelung ist den Grünen zufolge vor allem eine Kostenreduktion und eine damit einhergehende Optimierung des Mitteleinsatzes. Zudem könne dadurch auch eine größere Zahl an Patient:innen behandelt werden. Von Erleichterungen für Patient:innen und Sozialversicherungen sprach Schallmeiner auch in der Ausschussdebatte. Apotheker:innen seien derzeit „Logistiker“, die Regelung würde sie zu Pharmazeut:innen machen. Der Antrag wurde mit der Stimmenmehrheit von ÖVP, SPÖ und NEOS vertagt.
Gerhard Kaniak (FPÖ) hingegen sprach sich für die Beibehaltung der derzeitigen Regelungen aus und warnte vor einer generellen Wirkstoffverschreibung. Diese würde den Markt zerstören und zu Instabilitäten in der Versorgung führen.
Die Wirkstoffverschreibung wäre zwar gut fürs Budget, als Voraussetzung dafür brauche es aber bessere und passendere Rahmenbedingungen wie eine begleitende Digitalisierung, erklärte Fiona Fiedler (NEOS).
Die genannten Erleichterungen für Patient:innen hinterfragte Juliane Bogner-Strauß (ÖVP). Viele ältere Menschen seien an ein bestimmtes Medikament gewöhnt und eine Veränderung für diese schwierig. Zudem sei die Befürchtung, dass es zu Engpässen kommen würde, wenn Medikamente nicht mehr am Markt verfügbar seien.
GRÜNE FÜR LANGFRISTIGE ABSICHERUNG DES PROJEKTS „GESUND AUS DER KRISE“
Die psychische Gesundheitsversorgung von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Österreich sei nach wie vor eine der zentralen Baustellen im österreichischen Gesundheitswesen, gibt Abgeordneter Ralph Schallmeiner (Grüne) zu bedenken (99/A(E)). So bestehe eine strukturelle Unterversorgung, insbesondere im Bereich der kassenfinanzierten psychotherapeutischen bzw. klinisch psychologischen Behandlungen. Um dieser Problematik entgegenzuwirken, wurde im April 2022 das Förderprogramm „Gesund aus der Krise“ ins Leben gerufen. Dieses ermöglichte Jugendlichen bis 21 Jahren einen raschen, kostenlosen und qualitätsgesicherten Zugang zu psychotherapeutischer und psychologischer Unterstützung. Schallmeiner fordert, dieses Projekt über das Laufzeitende hinaus auch für 2025 und 2026 finanziell abzusichern. Außerdem soll es den Grünen nach ab 2027 in das Leistungsspektrum der Sozialversicherungen übergehen. Der Antrag wurde mit der Stimmenmehrheit von ÖVP, SPÖ und NEOS vertagt.
Markus Koza (Grüne) legte in der Ausschussdebatte die Ziele des Antrags dar. Petra Tanzler (SPÖ) sprach von enormen Herausforderungen angesichts des hohen Anstiegs an Erkrankungen und verwies auf die im Regierungsprogramm verankerte Weiterführung und den Ausbau des Programms „Gesund aus der Krise“. Auch Gesundheitsministerin Korinna Schumann berichtete über die budgetäre Verankerung des Programms für dieses Jahr und das prinzipielle Bekenntnis zu diesem Schwerpunkt im Regierungsprogramm. Grundsätzlich würde man noch gerne mehr machen, die Einsparungsziele in den Ressorts seien aber „enorm“, sagte sie.
Auch Marie-Christine Giuliani-Sterrer (FPÖ) strich die Bedeutung der psychologischen Unterstützung von jungen Menschen zur Vermeidung langfristiger Folgen hervor. Insgesamt brauche es mehr Möglichkeiten für Psychotherapeut:innen, mit Krankenkassen zusammen zu arbeiten, forderte sie.
GRÜNE FÜR NOVELLIERUNG DES SANITÄTERGESETZES UND EIN MODERNES AUSBILDUNGSKONZEPT
Eine Reform der Sanitäterausbildung fordert Ralph Schallmeiner (Grüne) (126/A(E)). Die im europäischen Vergleich zu kurze Ausbildungszeit sowie die mangelnde Durchlässigkeit würden derzeit den Beruf zu einer „Sackgasse“ machen. Zudem würde die Möglichkeit zur tertiären Weiterbildung fehlen, argumentiert der Abgeordnete. Die Tatsache, dass seit 2012 rund 100.000 Sanitäter:innen ausgebildet wurden, davon aber nur ca. 45.000 Personen aktiv sind, weise auf die hohe Fluktuation in diesem Berufsfeld hin. Das neue Ausbildungskonzept sieht den Grünen nach einen Einstieg als Rettungssanitäter:in (15 ECTS), eine Weiterqualifizierung als Rettungssanitäter:in mit Notfallkompetenzen (45-60 ECTS) sowie einer Ausbildung zum/zur diplomierten Notfallsanitäter:in (180 ECTS , Bachelor-Abschluss möglich) vor. Die Zeit sei reif für eine Novellierung und dabei sollten nicht nur die Interessen der Einsatzorganisationen sondern auch die der Sanitäter:innen berücksichtigt werden, forderte Ralph Schallmeiner (Grüne) im Ausschuss.
Der Stakeholderprozess sei bisher nicht sehr transparent gelaufen und es habe noch keinen Einblick in die bisherigen Vorarbeiten gegeben, begründete Fiona Fiedler (NEOS) den Vertagungsantrag, der mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ und NEOS angenommen wurde.
Es gebe zwischen den einzelnen Organisationen sehr unterschiedliche Zugänge, berichtete Mario Lindner (SPÖ) und sprach sich für eine weitere Bearbeitung des Themas auf parlamentarischer Ebene aus. Dabei sollte auch die Finanzierung des Rettungswesens thematisiert werden. Einigkeit über den Handlungsbedarf ortete Ausschussobmann Gerhard Kaniak (FPÖ). (Fortsetzung Gesundheitsausschuss) pst
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