
Impflücken werden immer größer
ÖVIH schlägt konkreten Plan vor
DIE LISTE DER IMPFUNGEN, BEI DENEN IMMUNISIERUNGSLÜCKEN BESTEHEN, WIRD IMMER LÄNGER. EGAL OB KEUCHHUSTEN, MASERN ODER INFLUENZA: ÖSTERREICH HINKT IN VIELEN INDIKATIONEN HINTERHER. DAFÜR WIRD UNS REGELMÄSSIG DIE RECHNUNG SERVIERT: TAUSENDE KEUCHHUSTENFÄLLE, HUNDERTE MASERNERKRANKUNGEN, DIE RÜCKKEHR DER DIPHTHERIE. SELBST BEI FSME*, BEI DER ÖSTERREICH IMMER INTERNATIONALER MUSTERSCHÜLER WAR, GEHEN DIE DURCHIMPFUNGSRATEN ZURÜCK. DIE DARAUS RESULTIERENDEN VERMEIDBAREN ERKRANKUNGEN KOSTEN DIE STEUERZAHLER:INNEN ALLERDINGS NEBEN GESUNDER LEBENSZEIT AUCH EINE MENGE GELD. GEBRAUCHT WIRD EIN PARADIGMENWECHSEL, WEG VOM BEHANDELN VON KRANKHEITEN HIN ZUR PRÄVENTION. IMPFUNGEN SIND EIN WICHTIGER TEIL DAVON. DER ÖSTERREICHISCHE VERBAND DER IMPFSTOFFHERSTELLER (ÖVIH) ZEIGT AUF, WIE DAS IMPFWESEN BESSER FUNKTIONIEREN KÖNNTE.
ZURÜCK IN DIE 1960ER
Kaum zu glauben, aber wahr. Das letzte Mal so viele Keuchhustenfälle wie aktuell gab es in den 1960er Jahren. Laut AGES-Radar für Infektionskrankheiten wurden 2024 15.465 Fälle von Keuchhusten registriert, das ist ein deutlicher Anstieg gegenüber den 2.791 Erkrankungen 2023. [1] Damit ist erstmals wieder eine ähnliche Anzahl an Infektionen wie in der Vor-Impfära in den 1960er Jahren erreicht worden. „Diese gewaltige Zahl kommt nicht von ungefähr“, betont ÖVIH-Generalsekretär DI Olivier Jankowitsch. „Österreich weist mit einer Durchimpfungsrate von 84 Prozent die niedrigste Impfrate in Europa auf. Im März 2024 ist sogar ein Neugeborenes an Keuchhusten verstorben.“ Auch die Masern seien auf dem Vormarsch, erläutert Jankowitsch mit Blick auf Zahlen des Vorjahres. 527 Fälle seien da gemeldet worden, 120 Personen mussten stationär aufgenommen werden. [2]
NIEDRIGE DURCHIMPFUNGSRATEN TROTZ ÖFFENTLICHER IMPFPROGRAMME
Die Liste der immer größeren Impflücken lässt sich beinahe endlos fortsetzen. Schon immer ein Problem war die mangelnde Impfbereitschaft bei Influenza. „Auch diesen Winter war sie nicht berühmt. Nur 15,16% der Bevölkerung ließen sich gegen das Virus impfen“, so Jankowitsch. Trotz eines öffentlichen Impfprogramms. EU und WHO fordern dagegen eine Durchimpfungsrate von 75 % in Risikogruppen.
Beim Humanen Papillomavirus (HPV) werden die Impfkosten ebenfalls – aktuell bis zum Alter von 30 – aus dem Budgettopf der öffentlichen Hand bezahlt. Am effektivsten ist die Impfung im Kindesalter, doch da klaffen noch große Lücken, insbesondere bei Buben. Nicht einmal die Hälfte von ihnen ist im Alter von 14 bereits geimpft. [3]
EINSTIGER MUSTERSCHÜLER FSME SCHWÄCHELT
Selbst bei FSME*, einer Impfung, bei der die Durchimpfungsrate lange sehr hoch war, gibt es mittlerweile Luft nach oben. Laut einer von IPSOS durchgeführten Marktforschung haben in den Jahren 2019 und 2020 74 % der befragten Geimpften die ersten drei Impfdosen bekommen. 2023/2024 lag diese Rate nur noch bei etwa 60 %. Besonders bei Kindern (1-15 Jahre) sank die Abschlussquote bei den ersten drei Dosen in den Jahren 2023/2024 auf 45 %.
IMPFEN HILFT BEIM SPAREN
„Um das zu ändern, ist ein Paradigmenwechsel von einem reaktiven System zu einem proaktiven notwendig. Also weg vom Behandeln von Krankheiten hin zu Prävention“, ist Mag.a Sigrid Haslinger, Vize-Präsidentin des ÖVIH überzeugt. Wie sinnvoll das ist, lässt sich beim Impfen besonders gut zeigen. Denn: Studien zufolge generiert jeder Euro, der in die Gesundheitsvorsorge investiert wird, einen Gewinn von 14 Euro für die Gesundheits- und Sozialwirtschaft. Ein aktueller Bericht hat zudem gezeigt, dass die Impfung von Erwachsenen der Gesellschaft und der Wirtschaft bis zum 19-fachen der ursprünglichen Investition einbringen kann. [4] „Wir sollten Impfungen daher als Investment und nicht als Kosten betrachten“, unterstreicht Haslinger.
KONKRETE LÖSUNGEN MÜSSEN HER
„2025 ist in Sachen Impfen ein Schlüsseljahr“, ist sich Mag.a Renée Gallo-Daniel, Präsidentin des ÖVIH sicher. „Die Klimakrise verschärft sich weltweit und in Österreich. Dadurch kommt es immer wieder zum Auftreten von neuen Infektionskrankheiten, während sich die geopolitische Lage unübersichtlich präsentiert. Gleichzeitig nimmt die Wissenschaftsskepsis immer neue Ausmaße an. Wir brauchen daher dringend Lösungen.“
ÖVIH PRÄSENTIERT 6-PUNKTE-PLAN
Welche das sind, hat der ÖVIH in Form eines „Aktionsplans Impfen“ definiert. „Voraussetzung sind konkrete Ziele“, stellt Gallo-Daniel fest. Notwendig seien konkrete Vorgaben des Ministeriums für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (BMSGPK), des zuständigen Staatssekretariats und des Nationalen Impfgremiums (NIG) zu Zielgrößen bei den Durchimpfungsraten in allen Alters- und Risikogruppen. Und zwar zu sämtlichen im österreichischen Impfplan vorgesehenen Impfungen.
Außerdem müsse der e-Impfpass besser genutzt werden, so die ÖVIH-Präsidentin. Dazu würden zum Beispiel anonymisierte Auswertungen und die verpflichtende Eintragung von allen im Österreichischen Impfplan empfohlenen Impfungen gehören. Außerdem wird die Erarbeitung eines österreichweiten, nach Altersgruppen gestaffelten Impfkonzeptes mit Schwerpunkt auf lebenslangem Impfen in den nächsten Jahren weiter an Bedeutung gewinnen, ist man beim ÖVIH überzeugt. Bestehende Impfprogramme wie jene für die COVID-19- oder die Influenza-Impfung sowie die Ausweitung des HPV-Impfprogramms seien wichtige erste Schritte, die optimiert und erweitert werden müssten.
Gleichzeitig bräuchten alle Kinder und Jugendlichen den gleichen (guten) Zugang zu kostenlosen Immunisierungen und Impfungen. „Aktuell ist das noch nicht der Fall“, betont Gallo-Daniel.
Weiters sei es wichtig, die Impfstoff-herstellende Industrie frühzeitig in die Planung einzubinden. Denn jede Impfstrategie funktioniere nur, wenn auch genügend Impfstoff vorhanden sei. „Die Produktionskapazitäten der Hersteller sind aber limitiert und kurzfristig kaum zu adaptieren“, begründet die ÖVIH-Präsidentin diese Forderung.
Last, but not least wünscht sich der ÖVIH mehr Impfaufklärungskampagnen durch die öffentliche Hand. Gallo-Daniel: „Was wir zukünftig vermehrt brauchen, sind vom zuständigen Ministerium initiierte, unterstützte und zielgruppenspezifisch aufbereitete Impfaufklärungskampagnen in Zusammenarbeit mit Ärzt:innen und Apotheker:innen sowie mit anderen Institutionen.“ Der ÖVIH bringe sein großes Wissen und seine breite Erfahrung gerne ein.
Das gilt ganz generell: „Wir freuen uns auf die Diskussion unseres 6-Punkte-Plans mit den Verantwortlichen im Gesundheitswesen und in der Politik, um gemeinsam möglichst viele impfpräventable Erkrankungen zu vermeiden“, wird die ÖVIH-Präsidentin nicht müde zu betonen.
HIER FINDEN SIE DEN LINK ZUM AKTIONSPLAN.
* Frühsommer-Meningoenzephalitis
_Impfempfehlungen sind im Österreichischen Impfplan nachzulesen, Impfberatung bieten Ärzt:innen und Apotheker:innen im österreichischen Gesundheitswesen._
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[1] Wissensmanagement AGES. Das AGES-Radar für Infektionskrankheiten, 30.01.2025.
[2] https://www.ages.at/mensch/krankheit/krankheitserreger-von-a-bis-z/masern, zuletzt abgerufen am 12.03.2025.
[3] HPV-Cockpit, zuletzt abgerufen am 13.03.2025.
[4] The European House – Ambrosetti, THE VALUE OF PREVENTION FOR ECONOMIC GROWTH AND THE SUSTAINABILITY OF HEALTHCARE, SOCIAL CARE AND WELFARE SYSTEMS, September 2024.
Für den Österreichischen Verband der Impfstoffhersteller
FINE FACTS Health Communication GmbH
Mag.a Uta Müller-Carstanjen
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