
66. Wiener Gemeinderat (2)
Fragestunde
GR Mag. Dr. Michael Trinko (SPÖ) informierte sich in der fünften Anfrage bei Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ) über das vor kurzem eröffnete „Foto Arsenal Wien“ und den Einsatz der Förderungen für dieses neue Haus für Fotografie und Lens Based Media. Kaup-Hasler meinte, dass das neue Foto Arsenal europaweit als Neugründung eines Kulturstandorts „Seltenheitswert“ habe. Die Eröffnung im Erdgeschoss des dreistöckigen historischen Ziegelbaus am vergangenen Freitag und das anschließende Eröffnungswochenende hätten insgesamt rund 7.000 Besucher*innen gebracht – „das hat jegliche Erwartungen übertroffen“. Das Gebäude sei vom Bundesservicekonzern „Art for Art“ zur Verfügung gestellt worden und in 18 Monaten „in schnellster Zeit und im Budgetrahmen“ umgebaut worden. Mit Felix Hoffmann sei auch ein international renommierter Kurator als künstlerischer Leiter des neuen Hauses gewonnen worden, sagte Stadträtin Kaup-Hasler. Geplant sei künftig eine Zusammenarbeit mit dem Filmmuseum Lab, dem nahegelegenen Heeresgeschichtlichen Museum sowie umliegenden Grätzln und Bezirken, um mit verschiedenen Vermittlungsprojekten einen kritischen Blick auf das Feld der Fotografie ins Bewusstsein zu bringen und so die Möglichkeiten eines kulturellen Zentrums zu entfalten.
AKTUELLE STUNDE
Im Anschluss an die Fragestunde wurde die Aktuelle Stunde debattiert. Das Thema hatte der ÖVP-Rathausklub eingebracht und lautete: „Bollwerk gegen den politischen Islam: Für die Stadt Wien ist Wachsamkeit das Gebot der Stunde!“
GRin Mag. Caroline Hungerländer (ÖVP) vermutete, dass eine Sache alle Menschen eine: „Wir sind Zeitzeugen größer gesellschaftlicher Veränderungen in ganz Europa: der Veränderungen der Zusammensetzung der Bevölkerung, der Veränderungen der kulturellen Homogenität – und auch die Religion Europas“. Doch Politiker*innen seien zugleich auch Akteur*innen und würden Verantwortung auch für künftige Entwicklungen tragen. Doch SPÖ und FPÖ würden derzeit islamistischen, ausländischen Kräften den Zugang zur heimischen Gesetzgebung ermöglichen, unterstellte Hungerländer. Es sei das Gegenteil von Integration, „dass man sich mit ausländischen islamistischen Kräften ins Bett legt“. Der politische Islam sei in Organisationen toporganisierte und besitze Strukturen, die die Demokratie in deren Sinne umbauen wollen. Etwa die Organisation Atib – die türkisch-islamische Union für kulturelle und soziale Zusammenarbeit in Österreich –, die der verlängerte Arm des türkischen Präsidenten und Autokraten Recep Tayyip Erdoğan sei. „Sie kaufen sich einige Wählerstimmen, doch gleichzeitig verkaufen Sie die Sicherheit in dieser Stadt“, sagte Hungerländer. Durch gemeinsame Veranstaltungen und Fotos mit Politiker*innen würden solche Organisationen des politischen Islams wie Atib oder die Grauen Wölfe versuchen, sich zu legitimieren. Wegen Partikularinteressen würde die FPÖ als „Trittbettfahrer auf diesen Zug“ aufsteigen, ohne die Gefahr des Umbaus der demokratischen Gesellschaft zu bemerken, so Hungerländer.
StR Dominik Nepp, MA (FPÖ) warf der ÖVP vor, die Grenzen nicht geschützt und so den radikalen politischen Islam ins Land gelassen zu haben. Deshalb sei die Wahl des Themas dieser Aktuellen Stunde „unehrlich“. Für ihn hingegen sei Ehrlichkeit in der Politik wichtig – „ich frage mich, wo Ihre Aufrichtigkeit und Ehrlichkeit bei Abstimmungen wie etwa beim Impfzwang bleibt“, sagte Nepp in Richtung seiner direkten Vorrednerin Caroline Hungerländer (ÖVP). Diese habe bei der FPÖ „angeklopft, aber es hatte einen Grund, wieso wir Sie nicht aufgenommen haben“, sagte Nepp. An seinem eigenen Treffen mit dem türkischen Botschafter sei nichts Verwerfliches; die ÖVP hingegen habe beim Botschafter darum „gebettelt“, dass es zu einem Treffen mit dem türkischen Präsidenten kommen solle. Nepp kritisierte die Ankündigung der Bundesregierung, den Familiennachzug nicht zu stoppen, sondern nur diesbezüglichen Anträge nicht zu behandeln.
GRin Mag. Caroline Hungerländer (ÖVP) meldete sich für eine “Tatsächliche Berichtigung” und widersprach der Behauptung Nepps, sie hätte bei der FPÖ beworben. Diese Aussage sei unwahr und eine bewusste Lüge.
GRin Mag. Dolores Bakos, BA (NEOS) meinte, die Gesellschaft sei bis zu einem gewissen Grad wohlstandsverwahrlost geworden. „Wir haben uns so sehr an die Demokratie gewöhnt, dass wir sie gar nicht mehr wertschätzen, verteidigen und resilient machen“, vermutete Bakos. Die größte Betroffenheit löse bei ihr aus, „dass die Feinde unserer Gesellschaft Kinder und Jugendliche sehr einfach über Social Media radikalisieren können“. Vereine wie Atib, Graue Wölfe oder die Muslim-Bruderschaft gehörten bekämpft – „da gibt es kein Wenn und Aber“. Helfen dabei würde die Stärkung der Resilienz, dafür sei die Fachstelle Demokratie in Wien oder das eigene Schulfach Demokratie geschaffen worden, um bereits den Jüngsten der Gesellschaft die Vorteile der Demokratie zu vermitteln. Es sei sehr klar zu unterscheiden zwischen dem Glauben an eine Religion und der politischen Instrumentalisierung dieser Religion. „Wir müssen uns gemeinsam für eine Gesellschaft einsetzen, in der Vielfalt und Pluralismus als Stärke angesehen wird“, verlangte Bakos.
GRin Mag. Berivan Aslan (GRÜNE) bezeichnete Antisemitismus, Rassismus, Islamismus, Extremismus und Menschfeindlichkeit als größte Gefahren der heutigen Zeit. Deswegen sei es wichtig, dass diese Themen sachpolitisch behandelt würden. Sie persönlich sei „ein enttäuscht von der Wiener SPÖ, die sich anbiedere und im Teich der Islamisten fische – „das verstehe ich nicht“. So wolle aber nicht alle Politiker*innen in einen Topf werfen, „doch allen, die mit Extremisten kooperieren, sei eines gesagt: Lieber verliere ich Stimmen oder auch mein Mandat, als meine Würde und meinen Glauben an die Demokratie“. Bekämpft könne Extremismus nur durch die Unterscheidung zwischen der Religion an sich und dem Islamismus. Um diese Unterschiede aufzuzeichnen, brauche es etwa Burschenarbeit, Bildung oder Präventionsarbeit, meinte Aslan. „Islamistische Gruppen dürfen nicht normalisiert und salonfähig gemacht werden und klar Position für Demokratie und Grundwerte zu beziehen“, schloss Aslan.
GR Peter Florianschütz, MA, MLS (SPÖ) machte den Versuch, den politischen Islam zu definieren. Diese Ideologie zeichne sich durch die Struktur der Herrschaft einer Religion und der fehlenden Trennung zwischen Staat und Religion aus. Der politische Islam habe weiters das Ziel, ein Kalifat als Regierungsform und Sharia-Regeln als alleinig gültiges Recht einzuführen. Es gebe aber Gruppen, die sich davon unterscheiden würden – „das muss man graduell beobachten und einordnen“. Florianschütz selber sei öfter bei Veranstaltungen von Atib gewesen, dort habe er selbst keinen Zwang oder Druck verspürt; wenn es doch versucht worden sei, habe er diese Versuche abgelehnt. Wien sei als pluralistische Stadt auf einem guten Weg, meinte Florianschütz, „insbesondere dadurch, wie Bürgermeister Michael Ludwig mit den verschiedenen Religionen in der Stadt umgeht“.
GR Maximilian Krauss, MA (FPÖ) ortete bei der Wiener ÖVP angesichts der nahenden Wahlen einen „Panikmodus“. Inhaltlich sei diese Aktuelle Stunde eine „Selbstanklage der eigenen unfähigen Politik“. Krauss meinte, dass die ÖVP für „Lug und Trug, Wählertäuschung, Unwahrheiten, plumpe Belügung der Wählerinnen und Wähler steht“. Etwa bei den Budgetzahlen der vergangenen Bundesregierung rund um die Nationalratswahl oder aktuell der Frage des Familiennachzugs. Krauss unterstellte der Erstrednerin der Aktuellen Stunde, Caroline Hungerländer (ÖVP), dass sie eine „Fake-Donaustädterin“ sei, da sie bei der Wahl zwar dort antrete, aber in einem anderen Wiener Bezirk ihren Wohnsitz habe. Auch die Inszenierung Hungerländers als Impfgegnerin und deren Enthaltung bei der entsprechenden Abstimmung missfiel Krauss.
Anmerkung: GR Maximilian Krauss, MA (FPÖ) erhielt für die Aussage “Lug und Trug” in Richtung Caroline Hungerländer (ÖVP) einen Ordnungsruf der Gemeinderatsvorsitzenden. (Forts.) nic
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