
Nationalrat: Neuer Bericht soll Gesundheit von Menschen mit Behinderungen verbessern
Fraktionen einstimmig für Erhebung der Gesundheitssituation und -versorgung
Ein neuer Bericht soll künftig die gesundheitliche Situation und Versorgung von Menschen mit Behinderungen erheben und darstellen. Die entsprechende Forderung der Grünen erhielt in der heutigen Nationalratssitzung die Zustimmung aller Fraktionen. Der Bericht soll Basis für Maßnahmen zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung von Menschen mit Behinderungen sein, nannten die Grünen in der Debatte das Ziel des Berichts. Auch die anderen Fraktionen legten ihre Positionen zu der Gesundheitsversorgung von Menschen mit Behinderungen dar. Sie nutzten die Diskussion aber auch dazu, um sich generell über das Gesundheitssystem auszutauschen. Gesundheitsministerin Korinna Schumann unterstützte die Forderung nach einem Bericht. Sie appellierte, gemeinsam Lösungen für Verbesserungen des Gesundheitssystems zu finden und Menschen nicht zu verunsichern.
Die Freiheitlichen sprachen von einem „riesigen Versorgungsproblem“ und einem „derart ruinierten“ System. Ebenso kritisierten sie die in der Coronazeit getroffenen Maßnahmen und deren Folgen auf die Bevölkerung. Ihre Forderung nach der Einrichtung eines Inklusionsfonds blieb in der Minderheit. Die Redner:innen der ÖVP thematisierten hingegen insbesondere die Barrieren für Menschen mit Behinderungen und sprachen sich für die rasche Umsetzung von Maßnahmen auf Basis der Erkenntnisse des Berichts aus. Die Sozialdemokrat:innen befürworteten einen grundsätzlichen „gesundheitspolitischen Kassasturz“ und eine Bestandsaufnahme. Massive Kritik äußerten sie in Richtung der Freiheitlichen. Diese seien „Gesundheitsgefährder“ und hätten in ihrer Regierungsverantwortung das Gesundheitssystem „zusammengeschossen“ und die Krankenkassen „ruiniert“. Die NEOS begründeten ihre Zustimmung mit der aktuell schlechten Datenlage über die Lebensrealitäten von Menschen mit Behinderungen. Zudem hoben sie die Bedeutung der angestrebten Teilarbeitsfähigkeit für Menschen mit Behinderungen und chronisch kranke Menschen hervor.
GRÜNE FORDERN BERICHT ZUR GESUNDHEITLICHEN SITUATION UND VERSORGUNG VON MENSCHEN MIT BEHINDERUNGEN
Laut Zahlen der Statistik Austria erleben 25 % der österreichischen Bevölkerung aufgrund ihrer gesundheitlichen Situation Beeinträchtigungen im Alltag, rund 570.000 Personen gelten als stark beeinträchtigt, zeigt Ralph Schallmeiner (Grüne) in einem Entschließungsantrag auf. Das heimische Gesundheitssystem sei jedoch im Umgang mit Behinderungen überfordert. So gebe es zu wenige barrierefreie Arztpraxen sowie Ambulanzen. Zudem würden Menschen mit Behinderungen, insbesondere jene mit intellektuellen Problemen, häufig nicht ernst genommen. Um einen besseren Einblick in die Herausforderungen und Probleme dieser Personengruppe zu bekommen, schlagen die Grünen die Erstellung eines eigenen Berichts durch die Gesundheit Österreich GmbH (GÖG) vor.
Menschen mit Behinderungen würden im Gesundheitssystem auf zu viele Barrieren stoßen, untermauerte Ralph Schallmeiner (Grüne) in der Plenardebatte seine Forderung. Es gelte daher, ihre Situation im Gesundheitssystem zu verbessern. Dazu werde der Bericht „blinde Flecken“ aufzeigen und so wie andere Berichte in der Vergangenheit zu Verbesserungen führen.
GESUNDHEITSMINISTERIN SCHUMANN: LÖSUNGEN FINDEN STATT MENSCHEN VERUNSICHERN
Der Regierung sei der „große Handlungsbedarf“ im Gesundheitssystem klar, betonte Gesundheitsministerin Korinna Schumann. Es gelte nun, Lösungen für ein gutes Gesundheitssystem zu finden. Im Regierungsprogramm seien dazu Maßnahmen vorgesehen, die auch das Vertrauen der Menschen wieder verbessern sollen. Zudem appellierte Schumann, nicht von einem „Kollaps“ des Gesundheitssystems zu sprechen und so die Menschen zu verunsichern.
Menschen mit Behinderungen würden ein Recht auf Gesundheit in erreichbarem Höchstausmaß ohne Diskriminierungen haben, betonte Schumann. Hinsichtlich der aktuellen Lebensrealität von Menschen mit Behinderungen gebe es eine Menge zu tun. Dabei sei es wichtig, die Verbesserungen im Austausch und mit dem entsprechenden Respekt mit den Betroffenen zu treffen, hob Schumann hervor.
FPÖ: RIESIGES VERSORGUNGSPROBLEM ABER KEINE GEEIGNETEN ANSÄTZE IM REGIERUNGSPROGRAMM
Menschen mit Behinderungen würden unter denselben Problemstellungen wie alle Versicherten im Gesundheitssystem leiden, kritisierte der freiheitliche Gesundheitssprecher Gerhard Kaniak und ortete ein „riesiges Versorgungsproblem“. Die Kritikpunkte seien seit Jahren bekannt, Verbesserungen seien aber nicht eingetreten. Dies bedeute einen „gigantischen Handlungsauftrag“ für die Bundesregierung, im Regierungsprogramm würden sich aber keine geeigneten Ansätze finden, kritisierte Kaniak. Der Zustand in den Spitälern sei schlechter als vor fünf Jahren. Im niedergelassenen Bereich würde es österreichweit 800 bis 1.000 zusätzliche Kassenstellen benötigen. Statt „plumpem Preisdumping“ gelte es im Arzneimittelbereich, die Versorgungsstrukturen zu stärken.
Die Einrichtung eines Inklusionsfonds, der die Teilhabe und -nahme von Menschen mit Behinderungen erhöhen soll, forderte Christian Ragger (FPÖ) ebenso wie ein „ehrliches Bekenntnis“ für Menschen mit Behinderungen. Der dazu im Zuge der Debatte eingebrachte Entschließungsantrag blieb in der Minderheit. Der Fonds soll mit mindestens 500 Mio. Ꞓ jährlich ausgestattet sein und eine unbürokratische und vereinfachte Gewährung und direkte Auszahlung von finanziellen Mitteln bieten. Der Inklusionsfonds soll insbesondere Leistungen der persönlichen Assistenz im Bereich von Schule und Beruf umfassen.
Das Gesundheitssystem sei „derart ruiniert“, dass die Menschen sich künftig darauf einstellen müssen, bei gesundheitlichen Fragen zum Telefonhörer greifen oder ein Email schreiben zu müssen, kritisierte Peter Wurm (FPÖ). Insgesamt brauche es mehr Geld im System und Einschränkungen der Ressourcen zugunsten jener, die das System erhalten.
Massive Probleme für Menschen mit Behinderungen im Gesundheitssystem lokalisierte auch Christoph Steiner (FPÖ), äußerte aber Zweifel, dass dem Bericht Verbesserungen folgen würden. Insgesamt werde die Situation nicht besser sondern schlechter.
Die Grundlage für eine gesunde Gesellschaft sei, auf die Bedürfnisse aller Einzelnen einzugehen und dass niemand zurück gelassen werde, hob Marie-Christine Giuliani-Sterrer (FPÖ) hervor. In der Coronazeit seien aber viele Fehlentscheidungen mit großen Folgen für die Menschen getroffen worden. Vereinsamung, Hass und Spaltung, zerstörte Existenzen und schwere Erkrankungen nach Impfungen seien die Konsequenzen davon gewesen. Die Gesundheitsministerin soll künftig keine Impfempfehlungen mehr aussprechen, da dies die Aufgabe von Ärzt:innen sei, forderte die Abgeordnete.
ÖVP: NACH BERICHT MÜSSEN MASSNAHMEN FOLGEN
Laut WHO würden Menschen mit Behinderungen bis zu 20 Jahre früher sterben und seien eine gesundheitlich „hoch belastete“ Gruppe. Der Bericht dürfe daher nur ein erster Schritt sein und Maßnahmen müssten darauf folgen, betonte Juliane Bogner-Strauß (ÖVP) angesichts der „Ungleichbehandlung“ von Menschen mit Behinderungen im Gesundheitssystem.
Für Barrierefreiheit brauche es nicht nur Rampen oder Aufzüge, sondern auch Verständnis, Zeit und Respekt, forderte auch Martina Diesner-Wais (ÖVP) ein inklusiveres Gesundheitssystem.
Einen Handlungsbedarf für die Barrierefreiheit befand Elisabeth Scheucher-Pichler (ÖVP) bei der physischen und digitalen Barrierefreiheit sowie bei Schulungen und Sensibilisierung.
Barrieren seien die Realität vieler Menschen mit Behinderungen, führte Heike Eder (ÖVP) aus. Sie seien nicht nur von physischen Barrieren, sondern auch von strukturellen Herausforderungen betroffen.
SPÖ FÜR „GESUNDHEITSPOLITISCHEN KASSASTURZ“ UND BESTANDSAUFNAHME
Es gelte, über die gesundheitliche Situation aller Bevölkerungsteile Bescheid zu wissen. Dazu brauche es einen „gesundheitspolitischen Kassasturz“ und eine Bestandsaufnahme angesichts von Problemen wie einer stagnierenden Frauengesundheit oder einer unzureichenden medizinischen Versorgung von Kindern, forderte Rudolf Silvan (SPÖ) und unterstützte die Initiative der Grünen. Zudem berichtete der Abgeordnete darüber, dass die Regierungsparteien sich einig seien, Oppositionsanträge nicht automatisch vertagen zu wollen.
Die aktuelle Situation des Gesundheitssystems habe sehr viel mit dem Einfluss der FPÖ in den letzten Jahren zu tun, meinte Verena Nussbaum (SPÖ). Viele der Probleme würden Menschen mit Behinderungen treffen. Viele ihrer Probleme seien aber nicht auf den ersten Blick sichtbar. Die Gesundheitsversorgung müsse daher so umgestaltet werden, dass sie für alle zugänglich wird. Die Bundesregierung wolle daher die Barrierefreiheit vorantreiben.
Die Freiheitlichen seien „Gesundheitsgefährder“, kritisierte auch Mario Lindner (SPÖ). Sie hätten in ihrer Regierungsverantwortung das Gesundheitssystem „zusammengeschossen“ und die Krankenkassen „ruiniert“. Zudem kritisierte er die FPÖ dafür, gegen Schutzimpfungen zu „hetzen“. Mit „FPÖ schämt Euch!“ schloss er seine Rede.
NEOS: VERBESSERUNG DER GESUNDHEITLICHEN LAGE VON MENSCHEN MIT BEHINDERUNGEN ZU LANGSAM
Die Datenlage über die Lebensrealitäten von Menschen mit Behinderungen sei schlecht, begründete Fiona Fiedler (NEOS) die Zustimmung ihrer Fraktion. Zudem gehe die Verbesserung der gesundheitlichen Lage von Menschen mit Behinderungen zu langsam voran. Diese würden „extrem viele“ Barrieren vorfinden, die sie mehr als andere Menschen leiden lassen. Zudem thematisierte Fiedler den Arbeitsmarkt für Menschen mit Behinderungen. Mit der Teilarbeitsfähigkeit wolle man für sie, aber auch für chronisch Erkrankte, die „Rutsche“ in den Arbeitsmarkt legen. (Fortsetzung Nationalrat) pst
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