
Nationalrat verabschiedet Novelle zum ORF-Gesetz mit Koalitionsmehrheit
Monatlicher ORF-Beitrag bleibt bis Ende 2029 bei 15,30 € eingefroren, Publikums- und Stiftungsrat werden im Juni neu bestellt
Der Nationalrat hat zum Auftakt seiner heutigen Sitzung eine Novelle zum ORF-Gesetz beschlossen. Die Abgeordneten stimmten mehrheitlich dafür, die Bestimmungen über die Bestellung des Stiftungsrats und des Publikumsrats neu zu regeln. Damit tragen sie einem Urteil des Verfassungsgerichtshofs Rechnung. Außerdem wird der monatliche ORF-Beitrag von 15,30 Ꞓ bis Ende 2029 eingefroren. Der Beschluss fiel mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ und NEOS, von der Opposition kam zum Teil harsche Kritik.
Weder FPÖ noch Grüne glauben, dass mit der vorliegenden Gremienreform der politische Einfluss auf den ORF geringer wird. Es handle sich vielmehr um „ein Weiter wie bisher“, hielt etwa FPÖ-Mediensprecher Christian Hafenecker kritisch fest. Die FPÖ pocht außerdem weiterhin auf eine gänzliche Abschaffung der „ORF-Zwangsgebühr“. Stattdessen solle der ORF aus dem Budget finanziert werden. Ein entsprechender Entschließungsantrag der FPÖ fand im Plenum jedoch keine Mehrheit. Auch Vorschläge der Grünen zur Stärkung der Unabhängigkeit des ORF wurden abgelehnt.
Erfreut über den Beschluss zeigte sich Vizekanzler Andreas Babler. Er sprach von einem „guten Tag“ sowohl für den Medienstandort als auch für die Bevölkerung. Der ORF-Beitrag bleibe die kommenden vier Jahre eingefroren. Zudem garantiere die Novelle, dass der ORF unabhängiger werde, meinte er. So nehme sich die Regierung bei der Besetzung des Stiftungsrats zurück. Durch die Entkoppelung der Besetzung der ORF-Gremien von den Wahlzyklen im Bund und in den Ländern werde überdies sichergestellt, dass neue Regierungen Stiftungsrät:innen nicht umgehend austauschen könnten.
Eine große Reform des ORF soll laut Babler folgen. Darauf legen insbesondere auch die NEOS großen Wert. Man werde das Publikum in den Reformprozess einbinden, versicherte NEOS-Mediensprecherin Henrike Brandstötter.
STIFTUNGSRAT UND PUBLIKUMSRAT WERDEN MIT 17. JUNI NEU BESTELLT
Anlass für die Novellierung des ORF-Gesetzes ist ein VfGH-Urteil aus dem Jahr 2023, das mit 1. April 2025 wirksam wird. Laut Verfassungsgerichtshof hat die Regierung derzeit zu viel Gewicht und zu viel Spielraum bei der Besetzung des ORF-Stiftungsrats und des ORF-Publikumsrats. Nun wird die Zahl der von der Regierung bestellten Stiftungsrät:innen von neun auf sechs reduziert und gleichzeitig dem Publikumsrat mehr Gewicht im 35-köpfigen Gremium eingeräumt. Außerdem muss die Regierung bei der Bestellung „ihrer“ Stiftungsrät:innen künftig stärker auf einschlägige fachliche Qualifikationen und Ausbildungen achten sowie danach trachten, dass im Stiftungsrat sowohl ausreichend Frauen als auch Expert:innen aus unterschiedlichen Fachrichtungen vertreten sind. Auch bei der Zusammensetzung des Publikumsrats werden Änderungen vorgenommen. Sowohl der Stiftungsrat als auch der Publikumsrat werden infolge der Gesetzesänderung neu bestellt, die Funktionsperiode wird am 17. Juni beginnen.
SPÖ: ORF IST TEIL DER ÖSTERREICHISCHEN IDENTITÄT
In der Debatte hoben zahlreiche Abgeordnete die Bedeutung eines starken öffentlich-rechtlichen Rundfunks hervor. Der ORF sei Teil der österreichischen Identität und Grundpfeiler der journalistischen Vielfalt und der demokratischen Kontrolle in Österreich, hielt etwa SPÖ-Abgeordneter Klaus Seltenheim fest. Diese Rolle des ORF sieht er durch die vorliegende Gremienreform weiter gestärkt. Das Publikum gewinne Einfluss im Stiftungsrat, zudem werde ein Regierungswechsel künftig nicht gleichzeitig ein Durchtauschen der Gremienmitglieder bedeuten.
Zum Einfrieren des ORF-Beitrags hielt Seltenheim fest, damit sei sichergestellt, dass in Zeiten, in denen alle sparen müssten, auch der ORF seinen Beitrag leiste. Gleichzeitig bringe der Antrag aber auch finanzielle Planungssicherheit für den ORF.
Der FPÖ warfen Seltenheim und seine Parteikollegin Muna Duzdar vor, den ORF zerschlagen und finanziell aushungern zu wollen. Hätten wir einen „blauen Kanzler“, würde die Welt heute schon eine andere sein, sagte Seltenheim. Auch unabhängige Printmedien, die kritisch über die FPÖ berichten, wären von Förderkürzungen betroffen. Die FPÖ halte nichts von Medienvielfalt, sagte Duzdar, vielmehr wolle sie Österreich zu einer illiberalen Demokratie umbauen.
NEOS FÜR GESAMTREFORM DES ORF
Der vorliegenden Gremienreform soll eine größere ORF-Reform folgen, wie unter anderem Duzdar und SPÖ-Abgeordneter Mario Lindner ankündigten. Diese große Reform soll NEOS-Abgeordneter Henrike Brandstötter zufolge gemeinsam mit den Bürger:innen erarbeitet werden. Es gehe darum, den ORF schlanker, transparenter und nachhaltiger zu gestalten. Auch auf die Abschaffung des Anhörungsrechts der Landeshauptleute bei der Besetzung der ORF-Landesdirektor:innen habe sich die Regierungskoalition geeinigt.
Nichts hält Brandstötter davon, den ORF „zu einem Grundfunk zusammenzuholzen“, wie das die FPÖ fordere. Der FPÖ gehe es nur darum, Budgetmittel für ihre eigenen Medien „abzugreifen“, ist sie überzeugt. Es brauche aber einen starken öffentlich-rechtlichen Rundfunk und eine vielfältige Medienlandschaft.
FPÖ KRITISIERT BERICHTERSTATTUNG DES ORF UND ORTET „PRIVILEGIENSTADL“
Scharfe Kritik am ORF kam von Seiten der FPÖ. Dieser berichte nicht objektiv, sondern mache einseitige Propaganda waren sich FPÖ-Mediensprecher Christian Hafenecker und seine Parteikolleginnen Lisa Schuch-Gubik und Katayun Pracher-Hilander einig. Als Beispiel nannte Hafenecker dabei etwa die Aufarbeitung von Corona. Pracher-Hilander zufolge „gaukelt“ der ORF unabhängige Berichterstattung nur vor, während es in Wahrheit laufend zu Manipulationen komme, wobei sie sogar die Farbe der Wetterkarte ins Spiel brachte.
Ein Dorn im Auge ist der FPÖ außerdem das ORF-Budget. Insgesamt würden den Steuerzahler:innen in den nächste Jahren 3 Mrd. Ꞓ „aus der Tasche herausgezogen“, klagte Hafenecker. Zudem müsse man die „ORF-Zwangssteuer“ auch dann zahlen, wenn man gar nicht ORF schaue, machte Schuch-Gubik geltend. Das Geld wird ihrer Ansicht nach nicht nur für einseitige Berichterstattung, „angebliche Experten“ und „unzählige Wiederholungen in Dauerschleife“ verwendet, sondern auch „für Luxusgehälter und den Privilegienstadl“. Das Durchschnittsgehalt im ORF betrage 91.000 Ꞓ, führte Hafenecker aus. Die FPÖ sei nicht für eine Zerschlagung des ORF, versicherte Hafenecker, dieser müsse aber auf einen objektiven und unabhängigen „Grundfunk“ mit Fokus auf Information zurückgeführt werden.
FPÖ-Abgeordneter Michael Schilchegger ist der Überzeugung, dass die Vorgaben des Verfassungsgerichtshofs mit der vorliegenden Novelle nicht korrekt umgesetzt werden. Die Regierung habe nach wie vor ein klares Übergewicht im Stiftungs- und im Publikumsrat, meinte er. Seiner Ansicht nach droht Österreich außerdem ein EU-Beihilfeverfahren, weil der ORF neben Gebühren- und Werbeeinnahmen auch Kompensationszahlungen aus dem Budget erhalte.
GRÜNE VERMISSEN „ECHTE ENTPOLITISIERUNG“
Auch die geschäftsführende Klubobfrau der Grünen Sigrid Maurer rechnet nicht damit, dass es durch die vorliegende Novelle zu einer Entpolitisierung des ORF kommen wird. Vielmehr hätten die Regierungsparteien lediglich eine Minimallösung zur Umsetzung des VfGH-Urteils vorgelegt. Sie glaubt, dass der politische Einfluss vom Stiftungsrat in den Publikumsrat verlagert wird, und kritisierte in diesem Zusammenhang das komplizierte Bestellungsprozedere. Die NEOS würden dabei zuschauen und hätten ihren Kampf gegen eine Entparteipolitisierung im ORF aufgegeben.
Um die Unabhängigkeit des ORF zu stärken, schlägt Maurer vor, den Stiftungsrat deutlich zu verkleinern und öffentliche Hearings vor der Bestellung von Gremienmitgliedern abzuhalten. Zudem sollen ihrer Meinung nach qualifizierte Mehrheiten bei wichtigen Entscheidungen im Stiftungsrat vorgesehen und geheime Abstimmungen ermöglicht werden.
ÖVP: VFGH HAT GREMIENSTRUKTUR IN WEITEN TEILEN BESTÄTIGT
Namens der ÖVP gab Susanne Raab zu bedenken, dass der VfGH die Konstruktion des Stiftungsrats und des Publikumsrats „in ganz weiten Teilen“ bestätigt habe. Mit dem vorliegenden Antrag setze man die Vorgaben des Höchstgerichts um, skizzierte sie. So schärfe man etwa bei den Qualifikationserfordernissen der Stiftungsrät:innen nach und werte den Publikumsrat auf.
Generell betonte Raab, es brauche einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk mit adäquaten Ressourcen als Gegenpol zu Fake News auf Online-Plattformen und anderswo. Eine Budgetfinanzierung des ORF würde ihrer Meinung nach keine Vorteile für die Steuerzahler:innen bringen. Wichtig sei, dass der ORF sparsam agiere. Das hob auch ÖVP-Mediensprecher Kurt Egger hervor, wobei er daran erinnerte, dass die monatliche ORF-Gebühr in der letzten Legislaturperiode von 18,60 Ꞓ auf 15,30 Ꞓ gesenkt wurde.
Egger zufolge hat die schwarz-grüne Regierung in den letzten Jahren außerdem bewiesen, dass ihr Medienvielfalt und der österreichische Medienstandort ein großes Anliegen seien. Konkret verwies er etwa auf die Qualitätsjournalismus-Förderung und andere Förderschienen. Eine der ersten Forderungen der FPÖ in den Regierungsverhandlungen sei dagegen gewesen, die Stiftungsräte im ORF rasch auszutauschen.
BABLER BEGRÜSST FORTFÜHRUNG ALLER ORF-PROGRAMME
Vizekanzler Andreas Babler unterstrich, dass das Einfrieren des ORF-Beitrags bis Ende 2029 nicht nur die Beitragszahler:innen entlaste. Vielmehr erhalte der ORF dadurch auch finanzielle Sicherheit. Es werde aber eine Effizienzsteigerung brauchen, meinte er. Ausdrücklich begrüßte Babler die Ankündigung von ORF-Generaldirektor Roland Weißmann, dass alle ORF-Programme fortgeführt werden sollen.
Die angestrebte große ORF-Reform solle gemeinsam mit dem Publikum entwickelt werden, bestätigte Babler die Ausführungen von NEOS-Abgeordneter Brandstötter. Ziel bleibe „ein solider öffentlich-rechtlicher Rundfunk“ in einer vielfältigen Medienlandschaft. (Fortsetzung Nationalrat) gs
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