
Elefantenrunde der Gesundheitssprecher*innen diskutierte auf Einladung der Kammer für Ärztinnen und Ärzte in Wien
Gesundheitssprecher*innen sehen Reformbedarf im Gesundheitssystem – Wartezeiten, Bedingungen für ärztliche Arbeit und Ausbildung sowie Ausbau der Kassenmedizin standen im Fokus
Im Vorfeld der Landtags- und Gemeinderatswahl in Wien lud die Kammer für Ärztinnen und Ärzte in Wien die Gesundheitssprecher*innen von SPÖ, ÖVP, NEOS, Grünen und FPÖ zur Podiumsdiskussion. Die prominent besetzte Runde diskutierte unter der Moderation von Kurier-Herausgeberin Martina Salomon die drängendsten Herausforderungen im Gesundheitswesen. „Lange Wartezeiten, zu wenige Kassenärztinnen und Kassenärzte, zu wenig Personal in den Spitälern – das sind nur einige der Probleme, mit denen wir im Wiener Gesundheitssystem konfrontiert sind. Wir Ärztinnen und Ärzte möchten heute von der Politik erfahren, wie sie diese mannigfaltigen Herausforderungen lösen will“, eröffnete Johannes Steinhart, Präsident der Kammer für Ärztinnen und Ärzte in Wien, die Diskussion. Eingeladen waren exklusiv Ärztinnen und Ärzte, die im Publikum die Möglichkeit hatten, den Gesundheitssprecher*innen bei ihren Plänen zur zukünftigen Gesundheitspolitik Wiens auf den Zahn zu fühlen. „Die Bevölkerung wächst, wird älter und damit auch kränker – deshalb brauchen wir mehr wohnortnahe Versorgungskapazitäten. Stattdessen nehmen diese in manchen Bereichen sogar ab. Wir müssen sicherstellen, dass der Arztberuf und der Standort Wien für junge Kolleginnen und Kollegen attraktiv bleiben – und dass unsere Ärztinnen und Ärzte in den Spitälern sowie im Kassenbereich gehalten werden. Schließlich konkurrieren wir nicht nur national, sondern auch international um die besten Köpfe. Es braucht auch eine bessere Steuerung der Patientinnen und Patienten, um effizientere Versorgungsstrukturen zu ermöglichen. Zudem droht unserem solidarischen Gesundheitssystem eine Konzernisierung, bei der nicht mehr die Gesundheit der Menschen, sondern die ökonomischen Interessen einiger weniger im Vordergrund stehen“, brachte Steinhart einige Problemstellungen auf den Punkt.
„Wir haben in Wien österreichweit die kürzesten Wartezeiten, aber ich bin dennoch nicht zufrieden damit“, betonte SPÖ-Gesundheitsstadtrat Peter Hacker, der auf eine „Reihe von Problemstellungen“ verwies. „Einige Themenfelder, wie etwa die Ausbildung von Ärztinnen und Ärzten, erstrecken sich über einen Zeitraum von 10 bis 15 Jahren“, so Hacker. Bei der Verbesserung der Ausbildung setze die Stadt bereits an. „Wir sind gerade dabei, ein Karrieremodell für Ausbilderinnen und Ausbilder zu schaffen, damit unsere erfahrenen Ärztinnen und Ärzte ihr Wissen bestmöglich weitergeben können.“ Um kurzfristig Wartezeiten zu verkürzen, „wurden Kooperationen mit Privat- und Ordenspitälern geschlossen, um zusätzliche Operationskapazitäten zu erhalten“, so der Gesundheitsstadtrat, der zudem auf das im Gemeinderat beschlossenes Investitionspaket für die Wiener Spitäler verwies: „Wir haben einstimmig beschlossen, 5,5 Mrd. Euro in unsere Spitäler zu investieren, um diese zu modernisieren und inhaltlich zu reformieren.“
Auch Michael Gorlitzer, ÖVP-Gemeinderat und Facharzt für Herz- und Gefäßchirurgie, thematisierte den Personalbedarf: „Seit 2019 fehlen in Wien rund 500 Pflegekräfte. Aktuell sind 84 Facharztstellen unbesetzt.“ Gorlitzer schlug neue Arbeitsmodelle für erfahrene Ärztinnen und Ärzte vor, um sie länger im System zu halten und zugleich die Ausbildungsqualität zu stärken: „Wir können durchaus ältere, erfahrene Fachärztinnen und -ärzte sowie Oberärztinnen und -ärzte – auch über 60 – gezielt einsetzen, sie von Nachtdiensten entlasten und stärker in die Ausbildung einbinden.“ Außerdem forderte er umfassende Investitionen in die Digitalisierung der Spitäler, um Bürokratie abzubauen, damit Ärztinnen und Ärzten mehr Zeit für die Behandlung von Patientinnen und Patienten bleibt: „Das spart Zeit und setzt Ressourcen frei.“
Barbara Huemer, Gesundheitssprecherin der Grünen, stellte die Arbeitszufriedenheit der Spitalsärztinnen und -ärzte in den Mittelpunkt: „Hier gibt es definitiv Schrauben, an denen wir drehen müssen. Etwas so Simples wie verpflichtende Supervision wäre ein wichtiger Schritt zur Verbesserung der Arbeitszufriedenheit.“ Darüber hinaus plädierte sie für eine langfristige Gesamtplanung im Gesundheitssystem: „Ein großer Wurf wäre, wenn wir es schaffen, den Föderalismus im Gesundheitsbereich zu überwinden.“ Huemer sprach sich zudem für stärkere regionale Kooperationen aus: „Ich würde mir wünschen, dass wir eine Versorgungsregion Ost schaffen.“
NEOS-Gesundheitssprecher Stefan Gara betonte die Notwendigkeit einer Strukturreform und verwies auf bereits Erreichtes: „Wir kennen die vielen Bereiche im Gesundheitssystem, in denen Verbesserungsbedarf besteht. Es braucht jetzt den politischen Willen zu einer echten Strukturreform.“ Gara will vor allem im niedergelassenen Bereich ansetzen: „Der Druck auf die Ordinationen ist hoch – die Kassenverträge müssen deutlich verbessert und die Gesprächszeiten honoriert werden. In Wien haben wir bereits den ersten Schritt einer Strukturreform eingeleitet: Mit acht Kinder-Primärversorgungszentren wird der Arbeitsplatz für Kinderärztinnen und -ärzte deutlich attraktiver.“
FPÖ-Gesundheitssprecher Wolfgang Seidl kritisierte lange Wartezeiten auf Operationen: „Dass man in Wien ein Jahr auf eine Hüftoperation warten muss, ist erschreckend.“ Er forderte eine effiziente Verwendung der beschlossenen Investitionsmittel: „Dieses Milliardenprogramm, das wir in den nächsten Jahren umsetzen wollen, ist notwendig, um das Gesundheitssystem zukunftsfit zu machen – die Frage ist jedoch, ob die Stadt Wien das auch tatsächlich umsetzen kann.“
Trotz teils unterschiedlicher Positionen waren sich alle Teilnehmer*innen einig: Es braucht rasch konkrete Reformen, um das Wiener Gesundheitssystem nachhaltig zu stärken.
Bilder des Abends finden Sie unter: Veranstaltungen
Abteilungsleiterin Öffentlichkeitsarbeit der Kammer für Ärztinnen und
Ärzte in Wien
Mag. Denise Daum
Telefon: 06648238103
E-Mail: daum@aekwien.at
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