
Justizausschuss spricht sich gegen Senkung des Strafmündigkeitsalters aus
FPÖ-Forderung wurde abgelehnt, Grünen-Initiative zu Eheverbot von Minderjährigen vertagt
Die FPÖ-Forderung nach einer Senkung der Strafmündigkeit auf 12 Jahre wurde vom Justizausschuss des Nationalrats heute abgelehnt. ÖVP, SPÖ, NEOS und Grüne erteilten noch zwei weiteren FPÖ-Forderungen ein klares Nein: der strafrechtlichen Sanktionierung von illegalen Grenzübertritten sowie der Verschärfung der Erschwerungsgründe im Strafgesetzbuch für jene Täter:innen, die in Österreich einen Asylantrag eingebracht haben. Vertagt wurde eine FPÖ-Initiative zur Änderung der Befangenheitsregel für Richter:innen sowie zwei Gesetzesanträge der Grünen, um der EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung nachzukommen und Ehen ohne Ausnahme erst mit Volljährigkeit zu erlauben. Seitens der Regierung soll zum Eheverbot noch dieses Jahr ein Gesetzesentwurf vorgelegt werden.
KEINE SENKUNG DER STRAFMÜNDIGKEIT AUF 12 JAHRE
Die FPÖ-Abgeordneten Harald Stefan und Christian Lausch argumentierten die wiederholt vorgebrachte FPÖ-Forderung nach einer Senkung der Strafmündigkeit und Deliktsfähigkeit auf 12 Jahre (29/A(E)) damit, dass die Anzahl der unter-14-jährigen tatverdächtigen Personen in den letzten Jahren dramatisch angestiegen sei. Die registrierten Straftaten, die von Kindern zwischen 10 und 14 Jahren begangen worden seien, hätten sich mehr als verdoppelt. Darauf müsse man gesellschaftlich reagierten, meinte Stefan. Er erläuterte das mehrstufige Konzept, das eine Inhaftierung nur als letzte Möglichkeit vorsieht. Zwangsmaßnahmen wie eine „Schnupperhaft“ sollten aber gesetzt werden können, um Konsequenzen zu verdeutlichen, meinte er. Auch Lausch ortet dringenden Handlungsbedarf, da der Polizei bei unter-14-Jährigen die Hände gebunden seien.
Johanna Jachs (ÖVP) gab seitens ihrer Fraktion an, das Herabsetzen der Strafmündigkeit auf 12 Jahre grundsätzlich weiter diskutieren zu wollen, wobei es aber eine Abstufung nach Deliktschwere bräuchte. Im Regierungsprogramm habe man sich auf Präventionsmaßnahmen verständigt, die sie als sinnvoll erachtet.
Auf den Aspekt der Prävention gingen auch Elke Hanel-Torsch (SPÖ) und Stephanie Krisper (NEOS) ein. Das Herabsetzen des Strafmündigkeitsalters würde nicht präventiv wirken und sei kein geeignetes Mittel zur Senkung der Jugendkriminalität, gaben beide die vorherrschende Expert:innensicht wieder. Die SPÖ-Mandatarin sprach sich für sozialpädagogische Maßnahmen, Krisper für den Ausbau von Präventionsmaßnahmen aus.
Agnes Sirkka Prammer (Grüne) erinnerte daran, dass die Kinder trotzdem im Rahmen der Familiengerichte zur Verantwortung gezogen werden können. Sie erachtet erzieherische Maßnahmen wichtig, um den Kindern Orientierung zu bieten und sprach sich deutlich gegen die Möglichkeit der Inhaftierung aus. Somit stimmte der Initiative niemand außer der antragstellenden Fraktion zu.
KEINE MEHRHEIT FÜR STRAFRECHTLICHE SANKTIONIERUNG DES ILLEGALEN GRENZÜBERTRITTS
Ebenfalls abgelehnt wurde ein FPÖ-Entschließungsantrag zur Bekämpfung „der illegalen Migration und Massenzuwanderung unter dem Deckmantel von Asyl“ (70/A(E)), um jede unerlaubte Einreise in das österreichische Staatsgebiet ohne gültige Einreisedokumente oder behördliche Genehmigung als Straftatbestand zu erfassen. Der Kriminalitätsanstieg in Österreich stünde aus Sicht der Freiheitlichen in Zusammenhang mit illegaler Migration und Schlepperkriminalität, weshalb „Geschleppte“, genauso bestraft werden sollten wie Schlepper, so Markus Tschank (FPÖ). Ein solcher neuer Straftatbestand würde Abschreckungswirkung generieren, meinte er, indem er auch auf die Asylantragszahlen Bezug nahm.
Illegale Migration sei nicht mit der Anzahl an Asylanträgen gleichzusetzen, entgegnete Thomas Elian (ÖVP) und äußerte Bedenken hinsichtlich Verfahrensverzögerung. Im Regierungsprogramm habe man sich auf eine Effizienzsteigerung bei den Asylverfahren sowie auf eine Rückkehrpolitik verständigt, sagte er.
Stephanie Krisper (NEOS), Alma Zadic (Grüne) und Selma Yildirim (SPÖ) kritisierten die Initiative, da sie Opfer der Schlepperei kriminalisieren würde. Das sei nicht menschenrechtskonform und inakzeptabel, meinten sie.
KEINE VERSCHÄRFUNG DER STRAFERSCHWERUNGSGRÜNDE FÜR TÄTER:INNEN MIT ASYLANTRAG
Eine weitere Forderung der FPÖ-Fraktion, die der Justizausschuss heute ablehnte, betrifft die Änderung des Strafgesetzbuches hinsichtlich Straferschwerungsgründe. Der FPÖ geht es in ihrem Gesetzesvorschlag (144/A) um eine Verschärfung der besonderen Erschwerungsgründe für jene Täter:innen, die in Österreich einen Asylantrag eingebracht haben. Gelten soll der Erschwerungsgrund gemäß FPÖ-Idee auch dann, wenn das Verfahren bereits rechtskräftig abgeschlossen, eingestellt oder gegenstandslos geworden ist, oder der Aufenthalt des oder der Täter:in im Bundesgebiet geduldet worden ist. Markus Tschank (FPÖ) sieht darin eine Möglichkeit der Abschreckungswirkung für „Ausländerkriminalität“.
Bettina Zopf (ÖVP) befürwortet vielmehr Präventions- und Integrationsmaßnahmen sowie raschere Verfahren und Abschiebungen. Als gleichheits- und grundrechtswidrig stuften Manfred Sams (SPÖ), Stephanie Krisper (NEOS) und Alma Zadić (Grüne) den Antrag ein.
FPÖ-INITIATIVE ZUR NEUREGELUNG BEI BEFANGENHEIT VON RICHTER:INNEN
Mit den Stimmen der Regierungsparteien vertagt wurde eine FPÖ-Initiative zur Novellierung der Befangenheitsregel für Richter:innen (143/A(E)). Bei der gegenwärtigen Regelung entscheide die Richterin bzw. der Richter de facto selbst, ob sie oder er befangen sei, bemängelte Markus Tschank (FPÖ). In Europa sei dies nur in Österreich und Russland so geregelt. Richtig wäre es seiner Meinung nach, die Frage an einen Senat zu delegieren und Befangenheitsgründe klar zu definieren. Immerhin ziehe sich der Vorwurf der Befangenheit wie ein roter Faden durch die Berichterstattung prominenter Strafverfahren, sagte er.
Diesen Grundtenor lehnen die NEOS ab, replizierte Abgeordnete Sophie Marie Wotschke. Rechtsschutz sicherzustellen sei nachvollziehbar, wobei es jedoch gelte, eine schnelle Verfahrensdauer zum Schutz der Angeklagten zu wahren. Sie verwies ebenso wie Jakob Grüner (ÖVP) auf die in dieser Legislaturperiode geplante Justizreform. Beide argumentierten so die Vertagung. Agnes Sirkka Prammer (Grüne) zeigte sich grundsätzlich offen über eine Debatte der derzeitigen Regelung, die unterstellende Formulierung des FPÖ-Antrags lehnte sie aber ab.
GRÜNE FORDERN NACHHALTIGKEITSBERICHTE VON UNTERNEHMEN
Bereits im Jänner dieses Jahres ist von der damaligen Justizministerin Alma Zadić ein Ministerialentwurf für ein Nachhaltigkeitsberichtsgesetz in Begutachtung geschickt worden. Nunmehr liegt von den Grünen ein Initiativantrag zu dieser Materie vor (190/A), der mit Ausschussmehrheit allerdings heute vertagt wurde. Abgeordneter Zadić (Grüne) geht es um die Umsetzung von EU-Vorgaben in Bezug auf konkrete Regelungen für die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen, aber auch darum, Lehren aus der Signa-Pleite zu ziehen und Bilanzverschleierungen zu verhindern, wie sie sagte.
Laut Petra Oberrauner (SPÖ) und Ernst Gödl (ÖVP) hätte es bei der Begutachtung Einwände gegeben, welche nun in Abstimmung zwischen Justiz- und Finanzministerium eingearbeitet würden. Christian Ragger (FPÖ) sprach sich diesbezüglich für Deregulierungsmaßnahmen aus.
GRÜNEN-VORSTOSS: EHEFÄHIGKEIT ERST AB VOLLJÄHRIGKEIT
Im Sinne des Kinderschutzes haben die Grünen ein Ehe- und Partnerschaftsrechts-Änderungsgesetz (188/A) beantragt. Die Fähigkeit, eine Ehe einzugehen, soll ebenso wie die Fähigkeit, eine eingetragene Partnerschaft zu begründen, ohne Ausnahme erst mit Volljährigkeit gegeben sein, erläuterte Agnes Sirkka Prammer (Grüne) den Gesetzesantrag in Erwartung breiter Zustimmung. Dem Vorstoß nach sollte das Eheverbot auch zwischen Verwandten bis zum vierten Grad der Seitenlinie gelten. Michael Gmeindl (FPÖ) und Johanna Jachs (ÖVP) äußerten inhaltliche Zustimmung, unter Verweis auf das Regierungsprogramm wurde der Antrag allerdings vertagt. Laut ÖVP-Abgeordneter Jachs werde die Regierung noch in diesem Jahr einen entsprechenden Gesetzesentwurf vorgelegen. (Fortsetzung Justizausschuss) fan
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