Volksanwalt Achitz: Niederösterreich verstößt gegen UN-Behindertenrechtskonvention

Corinna G. wird die Persönliche Assistenz verweigert, ohne die sie kein selbstbestimmtes Leben führen kann

_Corinna G. hat nach einer Gehirnblutung eine 100-prozentige Behinderung. Um selbstbestimmt in ihrer Wohnung leben zu können, braucht sie Persönliche Assistenz. Die konnte sie mit Berufsunfähigkeitspension, Pflegegeld der Stufe 5 und einer Förderung des Landes Niederösterreich finanzieren. Bis die Pensionsversicherung (PVA) die Pflegegeldstufe 2024 herabgesetzt hat. Denn das bedeutet in Niederösterreich auch: Die Persönliche Assistenz wird nicht mehr gefördert. Volksanwalt Achitz: „Niederösterreich koppelt als einziges Bundesland die Persönliche Assistenz an die Pflegegeldstufe 5. Das ist ein klarer Verstoß gegen die UN-Behindertenrechtskonvention.“ Österreich hat diese UN-BRK unterschrieben, sie gilt natürlich auch für die Bundesländer. Achitz: „Niederösterreich muss Corinna G. ein möglichst selbstbestimmtes Leben ermöglichen. Das ist nur mit Persönlicher Assistenz möglich.“ Die Verknüpfung mit der Pflegegeldstufe 5 ist nicht nachvollziehbar._

Es war der Tag vor ihrem 26. Geburtstag, als Corinna G. an ihrem Arbeitsplatz, einer Steuerberatungskanzlei, eine Gehirnblutung erlitt. Sie ist während der Pause vom Sessel gefallen, und die Kollegen haben sehr schnell gehandelt und haben den Notarzt gerufen. Sie wurde sofort ins AKH eingeliefert und dort notoperiert, mit Entfernung der Schädeldecke. Krankenhausaufenthalt und Rehabilitation dauerten fast ein Jahr. Danach zog Corinna G. zu ihren Eltern, die ihr Haus in Niederösterreich barrierefrei umgebaut hatten.

SELBSTBESTIMMTES LEBEN

Um wieder selbstbestimmt leben zu können, zog Corinna G. 2022 in eine eigene Wohnung. Kleine Wege kann sie heute ohne Rollstuhl bewältigen. Für weitere Strecken und auch beim Duschen oder Trainieren muss sie den Rollstuhl benützen. Sie hat eine Gesichtsfeld-Einschränkung, eine schwere Sprachstörung, und sie kann ihre rechte Hand nicht bewegen. Sie kann nicht lesen, nicht schreiben, keinen Computer bedienen.

Persönliche Assistent*innen übernehmen alles, was Betroffene nicht selbst können. Dadurch sollen Selbstbestimmung und individuelle Lebensgestaltung ermöglicht werden – so sieht es die UN-BRK vor. Finanziert hat Corinna G. die Persönliche Assistenz ursprünglich mit ihrem Pflegegeld und einer Förderung des Landes Niederösterreich. Doch vor einem Jahr wurde das Pflegegeld von Stufe 5 auf Stufe 3 herabgesetzt. Infolgedessen stellte das Land die finanzielle Förderung für die persönliche Assistenz ein. Denn die bekommt man in Niederösterreich nur in Verbindung mit Pflegestufe 5.

ÖSTERREICHWEIT EINHEITLICHE REGELUNGEN NOTWENDIG

Das aktuelle Regierungsprogramm möchte die Harmonisierung vorantreiben und sieht die „Weiterentwicklung der persönlichen Assistenz mit dem Ziel eines bundeseinheitlichen Systems“ vor. Für Volksanwalt Achitz ein wichtiger Schritt: „Wir brauchen österreichweit einheitliche Voraussetzungen. Aber bis es soweit ist, ist jedes einzelne Bundesland verpflichtet, die Voraussetzungen für ein möglichst selbstbestimmtes Leben zu schaffen. Niederösterreich tut das nicht.“

ABGEWIMMELT

Christine und Patrick G., Corinna G.s Mutter und Stiefvater, kritisierten in der ORF-Sendung „Bürgeranwalt“ am 5. April auch, dass man „als Staatsbürger, als Einwohner von Niederösterreich nicht vorgelassen wird zu einem persönlichen Termin, weder zu einem Beamten noch zu einem zuständigen Landesrat. Man wird einfach abgewimmelt.“ Auch in der Bürgeranwalt-Sendung wollte die zuständige Landesrätin weder selbst diskutieren, noch hat sie eine Vertretung geschickt.

PERSÖNLICHE ASSISTENZ KOSTET WENIGER ALS HEIMUNTERBRINGUNG

Als Alternativen seien auch schon eine Unterbringung in einem Heim vorgeschlagen worden. „Solche gibt es aber nur für Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen. Corinna hat aber ausschließlich körperliche Beeinträchtigungen“, so ihr Stiefvater. Eine Heimunterbringung käme dem Land außerdem teurer als die Persönliche Assistenz. Und zum Vorschlag, Corinna G. könnte ja in ein anderes Bundesland übersiedeln, wo die Persönliche Assistenz unabhängig von der Pflegegeldstufe gewährt wird, fällt ihm nur eines ein: „Pervers!“

SERVICE: Die Volksanwaltschaft ist unter post@volksanwaltschaft.gv.at sowie unter der kostenlosen Servicenummer 0800 223 223 erreichbar.

Florian Kräftner
Mediensprecher im Büro von
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