
Carnuntum – „Ödes Schloss“ entpuppt sich als einzigartiges römisches Kastell
LH Mikl-Leitner: Forschungen lehren uns immer wieder Neues über unsere Heimat und ihre Rolle im Laufe der Geschichte
In den Donauauen Niederösterreichs wurde ein archäologisches Geheimnis gelüftet: Erstmals konnten Forscherinnen und Forscher des Österreichischen Archäologischen Instituts der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und des Archäologischen Parks Carnuntum der Abteilung Kunst und Kultur des Landes Niederösterreich ein römisches Brückenkopfkastell auf österreichischem Boden nachweisen. Diese Entdeckung zeigt, wie wichtig die Bernsteinstraße war, die vom Baltikum über Carnuntum ins Römische Reich führte, und liefert neue Details zum römischen Grenzschutz entlang der Donau.
„Dieser beeindruckende Fund beweist die Bedeutung der Bernsteinstraße – und der Region Niederösterreich – als wichtige Verkehrsader und als Zentrum inmitten verschiedener Herrschaftsgebiete. Funktionen, die Niederösterreich auch heute noch innehat. Mit der Römerstadt Carnuntum – ein wichtiges europäisches Kulturerbe – erforschen wir seit über 145 Jahren unsere Geschichte und lernen immer wieder Neues über unsere Heimat und die Rolle, die sie im Laufe der Zeit gespielt hat. Und das wiederum ist wichtig, um unsere Gegenwart zu verstehen und dementsprechend nachhaltige Entscheidungen für unsere Zukunft zu treffen“, betont Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner.
Bisher war eine vergleichbare Anlage am Donaulimes nur durch das Kastell Iža-Leányvár in der Slowakei bekannt. Eine feste Brücke gab es in Carnuntum vermutlich nicht, stattdessen sind Fährdienste bis in das 17./18. Jahrhundert dokumentiert.
„Bereits um 1850 waren die noch sichtbaren Mauern an dem als „Ödes Schloss“ bezeichneten Platz untersucht worden“, erklärt Christian Gugl, Archäologe und Leiter der Forschungsgruppe Archäologie der römischen Provinzen der ÖAW. „Aufgrund aufgefundener Ziegelstempel interpretierte man die Baustrukturen damals als Reste eines befestigten römischen Brückenkopfes“.
Meist auf der gegenüberliegenden Seite eines Grenzflusses errichtet, hatten Brückenkopfkastelle die Aufgabe, Flussübergänge zu überwachen, die als strategisch wichtig galten. Von diesen Stützpunkten aus konnten die römischen Truppen sowohl die Passage über die Donau als auch das Umland beobachten. Besonders entlang des Donaulimes waren solche Anlagen bedeutend für die römische Grenzsicherung und die Kontrolle von Handelswegen. Die Anlage ist somit auch Teil des österreichischen Donaulimes, seit 2021 UNESCO Weltkulturerbe.
Die Grabung in der Hainburger Au brachte bemerkenswert gut erhaltene Mauerstrukturen zum Vorschein. Besonders eindrucksvoll: Teile der Kastellmauern sind bis zu 2,65 Meter hoch erhalten. Die wissenschaftlichen Untersuchungen zeigen, dass das Kastell in zwei Bauphasen errichtet wurde. Die erste Phase datiert in die Zeit um 170/180 n. Chr., als Kaiser Mark Aurel während der Markomannenkriege die römische Grenze gegen die germanischen Stämme verstärken ließ. In einer zweiten Bauphase um das Jahr 260 n. Chr. wurde die Anlage unter Kaiser Gallienus erneuert, doch mit dem allmählichen Bedeutungsverlust Carnuntums ging auch die Truppenstärke zurück.
Die archäologischen Funde umfassen gestempelte Ziegel der Legionsverbände XIV und XV, Münzen, Keramik sowie einige Bronze-Kleinfunde. „Sie belegen die große strategische Bedeutung Carnuntums innerhalb des römischen Militärsystems und liefern neue Erkenntnisse über die militärische Sicherung der Nord-Süd-Verbindung“, betont Eduard Pollhammer, Archäologe und wissenschaftlicher Leiter von Carnuntum.
Neben den archäologischen Aspekten bietet die Grabung auch wertvolle Informationen zur Dynamik der Donau. Da historische Flussverläufe vor dem 16. Jahrhundert kaum dokumentiert sind, wurden in Zusammenarbeit mit der Universität für Bodenkultur (BOKU) und der Universität Wien Sedimentproben entnommen, um die geologische Entwicklung zu analysieren. Die Forschung zu Flussmorphologie und dem Anthropozän wird somit weiter vertieft.
Die Grabungen, die bereits 2024 und unter Berücksichtigung naturschutzrechtlicher Auflagen mit Unterstützung der Bundesforste im Nationalpark Donauauen durchgeführt wurden, sind abgeschlossen. Die wissenschaftliche Analyse der Funde ist jedoch in vollem Gange. Die Ergebnisse versprechen spannende neue Einblicke in die römische Vergangenheit Österreichs und die strategische Rolle des Donaulimes.
Für weitere Rückfragen: Sven Hartwig, Leiter Öffentlichkeit & Kommunikation, ÖAW, T +43 1 51581-1331, sven.hartwig@oeaw.ac.at; Astrid Pircher, Wissenschaftskommunikation ÖAI der ÖAW, T: +43 1 51581-4060, astrid.pircher@oeaw.ac.at; Daniel Kunc, Leiter Pressearbeit, Archäologischer Park Carnuntum, T +43 664 60 499 797, daniel.kunc@carnuntum.at;
Wissenschaftlicher Kontakt: Christian Gugl, Forschungsgruppe »Archäologie der römischen Provinzen im lateinischen Westen«, ÖAI der ÖAW, T: +43 1 51581-3482, christian.gugl@oeaw.ac.at; Eduard Pollhammer, Amt der NÖ Landesregierung, Abteilung Kunst und Kultur, Archäologischer Park Carnuntum, T: +43 (0)676/81249923, eduard.pollhammer@noel.gv.at
Amt der Niederösterreichischen Landesregierung
Landesamtsdirektion/Öffentlichkeitsarbeit
Doris Zöger
Telefon: 02742/9005-13314
E-Mail: presse@noel.gv.at
OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS. www.ots.at
© Copyright APA-OTS Originaltext-Service GmbH und der jeweilige Aussender